Wir gegen die! Gut gegen Böse! Die harte aber faire
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem seriösen Finanzminister 
Wolfgang Schäuble gegen den dauergrinsenden Hallodri Alexis Tsipras 
und dessen diabolischen Zockerkumpel Gianis Varoufakis! Die einen 
wollen helfen, die anderen erpressen! Medial orchestriert nicht nur 
von der „Bild-Zeitung“ und gesungen nicht mehr allein von 
konservativen Politikern, begleitet dieses Lied mit all seinen 
chauvinistischen Untertönen seit Wochen wieder die Verhandlungen mit 
Griechenland. Jetzt, auf einer der vielen Zielgeraden vermeintlicher 
Rettungsbemühungen, wird es natürlich mit voller Lautstärke 
abgespielt. Denn eines soll in Deutschland klar sein: Wenn es zu 
keinem Kompromiss zwischen Athen und seinen Gläubigern kommt, wenn es
einen Grexit mit seinen unabsehbaren wirtschaftlichen und politischen
Folgen auch für Europa geben sollte, dann hat allein die griechische 
Regierung versagt. Eine Mehrzahl der Bundesbürger liebt dieses Lied 
offenbar. Dabei fußt es auf zum Teil grotesken Verdrehungen. Allein 
die Frage: Wer erpresst wen? Selbstverständlich hat auch die 
griechische Regierung während der Verhandlungen versucht, Druck auf 
die Gegenseite auszuüben. Dabei sind ihre Vertreter mehr als einmal 
dilettantisch vorgegangen und haben selbst potenzielle Bündnispartner
vor den Kopf gestoßen. Doch die deutlich großkalibrigere Waffe war 
immer auf die Griechen gerichtet. Mit ihr haben Vertreter der 
Institutionen Tsipras und seine Mitstreiter systematisch weich 
geklopft. Ständig wurden Athens Verhandlungsangebote als unzureichend
zurückgewiesen, obwohl die Syriza-Regierung nach und nach mehrfach 
die eigenen roten Linien überschritten hatte. Die griechische Seite 
ist ihrem Gegenüber deutlich weiter entgegengekommen, als umgekehrt. 
Nicht, weil sie es wollte, sondern weil sie es angesichts der 
Machtverhältnisse musste. Inzwischen versuchen Tsipras und seine 
Leute nur noch einen halbwegs gesichtswahrenden Kompromiss zu 
erzielen. Manche in den Institutionen sind offenbar bereit, ihnen den
zuzugestehen: Wie beispielsweise EU-Kommissionspräsident Jean-Claude 
Juncker. Andere wollen die linke griechische Regierung partout zur 
völligen Kapitulation zwingen, sie in den Staub drücken, stürzen. Der
Internationale Währungsfonds und auch Wolfgang Schäuble zählen zu 
diesen Hardlinern. Noch ist offen, wer sich letztlich durchsetzen 
wird. Angesichts dieses Showdowns ist die eigentlich zentrale Frage 
in den Hintergrund gerückt. Nämlich: Würde mit einem Kompromiss 
endlich das Griechenland-Problem gelöst? Die Antwort lautet schlicht 
und einfach: Nein! Daran ändert auch nichts das Versprechen der 
griechischen Gläubiger, das zweite Hilfspaket zu verlängern, falls 
Athen in anderen Fragen klein beigibt. Zwar ist selbst ein schlechter
Kompromiss immer noch besser als gar kein Kompromiss. Doch egal was 
bei dem Gefeilsche um Kürzungsprogramme und Steuererhöhungen 
herauskommt, feststeht: Griechenland wird von seinen Gläubigern 
gezwungen, weiter einen Austeritätskurs zu fahren. Einen Kurs, der in
den vergangenen Jahren die Wirtschaft des Landes immer weiter hat 
abstürzen lassen und eine humanitäre Katastrophe ausgelöst hat. Jetzt
droht die Fortsetzung. Tsipras kann nur noch versuchen zu verhindern,
dass dies vor allem wieder die ärmeren Menschen zu spüren bekommen. 
Und das sind inzwischen Millionen. Statt der neuen Regierung in Athen
Luft zu geben, um endlich tatsächlich notwendige Reformen anzugehen 
und sie darauf auch zu verpflichten, beharren die Gläubiger auf 
gescheiterte Programme. Aus purer Ideologie?  Mit Vernunft ist der  
Kurs jedenfalls nicht zu erklären.
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