„Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne. Du
bist ihr Produkt.“ Mit diesem Satz beschreibt der renommierte
US-amerikanische Computerwissenschaftler Jaron Lanier in seinem neuen
Buch „Wem gehört die Zukunft?“ das ganze Dilemma unserer modernen
Kommunikationsgesellschaft. Die beruht nämlich auf dem Prinzip: Wir,
die Kunden, füttern die Internetriesen mit unseren Daten. Freiwillig
breiten wir unser Leben vor ihren immer wachsamen Augen aus. Wir
fotografieren uns, unser Essen, unsere Liebsten. Wir teilen mit, wo
wir was einkaufen, welche Politiker und Künstler uns faszinieren,
welche Texte wir im Internet lesen oder wie unser Gesundheitszustand
gerade aussieht. Die Internetriesen liefern uns dafür kostenlos die
entsprechende Plattform – und saugen uns aus, um es mit den Worten
Laniers zu sagen.
Das ist die Bestandsaufnahme – nicht mehr und auch nicht weniger.
Welche Schlüsse man daraus ziehen mag, ist in einer freien
Gesellschaft jedem selbst überlassen. Wichtig ist nur, sich überhaupt
Gedanken über das eigene Leben im Netz zu machen. Wer das
Geschäftsmodell der Datenkraken durchschaut hat, der fragt nicht mehr
lange nach der Sinnhaftigkeit des jüngsten Facebook-Deals. 19
Milliarden Dollar haben Zuckerberg und Co. für eine kleine
Software-Klitsche bezahlt, die mit der Entwicklung von WhatsApp einen
gigantischen Erfolg gelandet hat. 30 Millionen Deutsche nutzen den
Nachrichten-Dienst inzwischen auf ihrem Handy, weil er praktisch ist
und fast nichts kostet.
Wen stört da noch, dass die offizielle Firmenadresse des
Entwicklers bis heute zu einem Sushi-Laden gehört und auch zwei
andere Firmensitze unauffindbar sind? Wen stört es, dass die
Sicherheit der Nachrichten – im Gegensatz zur SMS – völlig ungewiss
ist? Wen stört es, dass das Programm sogar auf Informationen von
Nutzern zugreift, die für den Dienst überhaupt nicht registriert
sind? Für 19 Milliarden Dollar kauft Facebook nicht bloß ein
gigantisches Telefonbuch. Facebook erwirbt einen Blick in unsere
intimste Kommunikation. Natürlich beteuert man nun, den Datenschutz
auch künftig achten zu wollen. Geschenkt! 19 Milliarden bezahlt wohl
niemand für einen Dienst, mit dem sich aktuell bloß 89 Cent pro
Nutzer und Jahr verdienen lassen.
An dieser Stelle sei noch einmal aus dem klugen Buch des
US-Wissenschaftlers Lanier zitiert: „Wenn alles frei verfügbar und
umsonst ist, klingt das demokratisch, aber das ist es eben nicht.
Denn die Internet-Mächtigen mit ihren Riesen-Computern, mit der
Möglichkeit, all diese Informationen auszuwerten und
weiterzuverkaufen, sind am Ende die einzigen Profiteure. Und so wurde
das, was eigentlich so demokratisch aussah, sehr, sehr unfair.“ Für
Lanier gibt es nur einen Ausweg: Die Nutzer müssen davon profitieren,
wenn sie Daten preisgeben oder Fotos ins Netz stellen. Schluss mit
der Umsonst-Mentalität, die nur den Konzernen nützt!
Diese Idee ist bestechend. Doch sie hat einen mächtigen Gegner:
den inneren Schweinehund des Nutzers, der die schöne neue Welt im
Netz nur zu gerne aufsucht. Weil sie bunt ist, aufregend und dabei
denkbar bequem. Mit Speck fängt man Mäuse, sagt der Volksmund. Im
Internet reichen ein paar bunte Smileys, und der Nutzer tappt
selbstvergessen in die Falle.
Wollen wir wirklich zulassen, dass ein paar Menschen auf dieser
Welt zu obszönem Reichtum und gefährlicher Macht kommen, weil wir
ihnen unsere Daten auf dem Silbertablett servieren? Auf diese kann es
eigentlich nur eine Antwort geben.
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