Das Monster Maut ist aus dem Sack. Der
Bundesverkehrsminister rechnet damit, dass es rund 860 Millionen Euro
im Jahr von ausländischen Vignetten-Käufern eintreibt. Mehr ist nicht
drin, denn Einnahmen von deutschen Kfz-Haltern sind im
Nullsummenspiel faktisch nicht vorhanden. Dobrindt kann sich noch so
viel Mühe geben, es zu verschleiern: Ausländer werden einseitig
belastet. Da spielt die EU nicht mit. Den ganzen Unsinn zu verwalten,
kostet laut Minister 260 Millionen jährlich. Es bleiben also nur rund
600 zusätzliche Millionen und der starke Verdacht, dass dies auch
noch ziemlich optimistische Annahmen – also geschönte Zahlen – sind.
Woher soll das Personal für Dobrindts Maut-Monster kommen? Wie viele
zusätzliche Stellen sind nötig? Und was kosten die? Dazu ist nichts
zu hören. Dobrindts Maut ist sozial ungerecht und ökologisch
unsinnig. Wer jährlich zehntausende Kilometer zurücklegt, zahlt die
gleiche Gebühr wie derjenige, der schon aus finanziellen Gründen nur
selten unterwegs sein kann. Wer die Umwelt wenig belastet, muss
genauso viel berappen wie der Vielfahrer. Wenn es wirklich um
Abnutzung der Straßen geht, dann müssten sachgemäß diejenigen mehr
bezahlen, die mehr abnutzen, die also mehr fahren. Das wäre ohne
jeden weiteren bürokratischen Aufwand über die Spritsteuer zu
erreichen. Wenn die Bundesregierung aus guten Gründen Wert darauf
legt, dass zweckgebundenes Geld für den Erhalt des Verkehrsnetzes
verlässlich zur Verfügung steht, braucht sie nicht zusätzlich 600
Millionen, sondern kann dafür die mehr als 45 Milliarden Euro aus der
Kfz- und Mineralölsteuer nutzen. Wer das nicht schafft, ist unfähig,
politische Prioritäten zu setzen. Dobrindt sagt, er wolle mit der
Maut „eine Gerechtigkeitslücke schließen“. Dazu könnten dem Herrn
Bundesminister Geschäftsleute und Kulturinstitutionen im Grenzgebiet
und die deutschen Hoteliers etwas erzählen. Wie stellt sich der
CSU-Mann eigentlich den Alltag vor im größten Land Europas, in dem
Land mit den meisten Nachbarn, in dem Land, das wie kein anderes
angewiesen ist auf das unkomplizierte und selbstverständliche Hin und
Herr an seinen Grenzen, das Nähe braucht und Nähe will, das kein
Interesse hat an neuen Hürden und Mauern? Wer von Kerkrade nach
Kohlscheid oder von Vaals nach Vaalserquartier fährt, braucht nach
Dobrindts Vorstellung demnächst eine Vignette. Wenn der Minister
damit durchkommen sollte, werden die Niederlande und Belgien
nachziehen; das Europa der offenen Grenzen würde zu Grabe getragen.
Womöglich ist sich die CSU durchaus bewusst, dass sie sich während
des Wahlkampfs in dieser Sache verrannt hat. Nun will sie trotzdem
zeigen, was sie kann. Seehofer benötigt dringend einen Beweis, dass
seine bundespolitische Durchsetzungskraft noch nicht erloschen ist.
Darum muss Dobrindt die Maut, die außer der CSU niemand braucht,
jetzt durchpauken. Beide wissen wahrscheinlich längst, dass ihr
Monster politisch und europarechtlich keine Chance hat. Und das wäre
ihnen auch recht. Sie könnten dann mal wieder eine schöne Kampagne
gegen die EU fahren.
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