Genug von der Dobrindt-Maut! Sie ist
antieuropäisch, bringt sowieso nicht genug in die Kassen und wird bis
auf ein paar CSU-Hardliner von niemandem gewollt. Selbst wenn sie den
Bundestag passieren sollte, wird sie von europäischen Gerichten
kassiert. Kein Grund also, sich aufzuregen. Bei dem, was mutmaßlich
gerade von Wolfgang Schäuble angedacht wird, sollte einem als Bürger
allerdings mulmig werden. Der Finanzminister lässt wohl prüfen,
inwieweit sich das Grundgesetz ändern ließe, um mehr private
Investoren anzulocken, die den Straßenbau und -betrieb finanzieren.
Gegenleistung: auf gewisse Zeit die Einnahmen aus einer Maut, die
aber dann für alle gilt. Diese Idee ist nicht neu und, was deutlich
schlimmer ist: Sie ist nicht gut. Schon immer haben Regierungen
versucht, durch die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur
kurzfristig Geld zu sparen, und sind dabei oft langfristig auf die
Nase gefallen. Um das zu belegen, braucht man nicht die viel zitierte
britische Bahnprivatisierung unter Thatcher zu bemühen. Es reicht ein
Blick vor die Haustür. Bereits jetzt werden im Rahmen sogenannter
Öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) in Modellprojekten deutsche
Autobahnabschnitte von privater Hand betrieben. Als Gegenleistung
gibt es für 30 Jahre die Einnahmen aus der Lkw-Maut. Zu welchen
Problemen das führen kann, zeigt die A1 zwischen Bremen und Hamburg,
die seit 2008 von einem Firmenverbund betrieben wird. Der ist an
einer möglichst großen Lkw-Auslastung seiner 72 Kilometer langen
Strecke interessiert und hat sie bis 2012 sechsspurig ausgebaut.
Dafür ist er ans Limit gegangen: lange Bauabschnitte, um Maschinen
effizient einsetzen zu können, enge Spuren, um eine Fahrbahn in einem
Rutsch bauen zu können. Die Folge: Rekordausbautempo und
Rekordunfallzahlen. Von 2008 auf 2009 stieg die Unfallzahl um 121
Prozent (!). 4,3-mal täglich rappelte es auf der effizienten
Baustelle. Eine NDR-Doku sprach von der „Horrorautobahn“. Ein hoher
Preis. Vor allem, wenn man bedenkt, wie unsicher der wirtschaftliche
Nutzen für den Staat ist. Der muss nämlich neben der Mautweitergabe
viel Geld für Justiziare, Risikozuschläge und Anschubfinanzierungen
hinlegen. Wenn es ganz schlimm kommt, verkalkulieren die Privaten
sich derart, dass sie in die Insolvenz gehen. So wie in Spanien, wo
inzwischen neun von zehn Autobahnbetreibergesellschaften bankrott
sind, und der Staat mit Milliardenbeträgen einspringen muss.
Vernichtend urteilt denn auch der Bundesrechnungshof in einem
aktuellen Bericht: ÖPP-Projekte im Straßenbau lohnen sich nicht. Der
Staat sollte lieber selber bauen. Das würde freilich den
ausgeglichenen Haushalt gefährden, den Schäuble mit aller Macht
anstrebt. Deshalb käme ihm das Verscherbeln öffentlicher
Infrastruktur gerade recht. Das verschönert heute die
Haushaltsrechnung. Was morgen ist, kümmert ihn wohl weniger.
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