Allg. Zeitung Mainz: Kirche im Dorf / Kommentar zu Kardinal Müller

Die Kirche hat andere Maßstäbe als alle übrigen
Institutionen dieser Welt. Moralische, historische, theologische –
das ist so in Ordnung und muss so sein. Nur so lässt sich
grundsätzlich Halt vermitteln in einer oft genug haltlosen Welt. Und
ja, Kardinal Müller hat grundsätzlich recht, wenn er mit Blick auf
die Aufarbeitung der Ereignisse um Bischof Tebartz-van Elst zur
verbalen Mäßigung aufruft. Alle, nicht zuletzt die Medien, müssen
sich an das halten, was durch die Grundsätze der freien
Meinungsäußerung gedeckt ist. Das gilt allerdings im Umkehrschluss
auch für alle, die jetzt die moralische Keule schwingen – also auch
und gerade für Müller selbst. Seine Kritik an den seiner Ansicht nach
unbotmäßigen Fastnachtern dürfte die Narren eigentlich nur zum
wohligen Schmunzeln bringen. Zeigt sie doch, dass die
literarisch-politische Fastnacht ihren Anspruch immer noch einlöst:
Die Freiheit der Narren ist die der freien Bürger. Nicht mehr zum
Schmunzeln, sondern absolut unsäglich ist allerdings Müllers
Vergleich zwischen der Tebartz-Debatte und der Nazi-Zeit. Man darf
davon ausgehen, dass er seine Worte bewusst gewählt hat und somit
bewusst Kritiker des Limburger Bischofs pauschal mit denen
gleichsetzt, die ein mordendes Unrechtsregime stützten und möglich
machten. Es ist nicht das erste Mal, dass Müller sprachlich
entgleist. Die „parasitären Existenzformen“, wie er reformwillige
Kreise titulierte, sind unvergessen. Will er nicht in einen Ruf
geraten, der ihm nach eigener Anschauung so gar nicht zukommt, kann
man Müller nur zurufen: Lieber Herr Kardinal, lassen auch Sie die
Kirche im Dorf, sonst wird sie bald noch leerer sein als heute. Und
die Welt noch haltloser.

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