Es wäre ein grober Fehler, Erdogan mit der Türkei
gleichzusetzen, auch wenn er versucht, seine Allmachtsphantasien
brutal durchzusetzen. Da sind schon andere, die 50 Prozent
Wählerstimmen hinter sich hatten, jäh gestürzt. Deeskalation und
Diplomatie sind wichtiger denn je in einem Moment, in dem der
Staatsapparat in Ankara mit massiven Provokationen auslotet, wie weit
er gegenüber der EU und Deutschland gehen kann. Dabei darf es
allerdings, wenn es um Erpressungsversuche geht, nur eine Linie
geben: Null Toleranz. Der Deal lautet nicht: automatische
Visafreiheit gegen Rücknahme von Flüchtlingen, sondern: Visafreiheit
jedenfalls nur dann, wenn Ankara die Menschenrechte achtet. Und da
sieht es im Augenblick verheerend aus. Klare Kante gegenüber Erdogan
zu zeigen wird allerdings dann schwieriger, wenn sich in Deutschland
zwei staatstragende Parteien, die angeblich auch noch Schwestern
sind, beharken: CDU und CSU. Der bayerische Ministerpräsident Horst
Seehofer sollte sich ein Beispiel an seinem Innenminister Joachim
Herrmann nehmen, der nach der Amok-Attacke von München eine Aura von
größtmöglichem Vertrauen verbreitete – durch Unaufgeregtheit.
Seehofer hatte dagegen am vergangenen Sonntag nichts Eiligeres zu
tun, als Merkels nach langer Zeit wieder einmal zaghaft
hervorgeholtes „Wir schaffen das“ zu attackieren. Seehofer kläfft.
Dabei ist ihm doch klar, dass es unanständig ist, Flüchtlinge
pauschal zu Sündenböcken für eine schwierige Sicherheitslage in
Deutschland zu machen. Die Dinge liegen etwas komplizierter. Aber der
Bundestagswahlkampf 2017 wirft halt immer längere Schatten.
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Wolfgang Bürkle
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