Allg. Zeitung Mainz: Papiertiger / Kommentar zu US-Truppen nach Osteuropa

Es ist eine, wenn auch dreiste Sache, der Ukraine,
einem Staat, der keinem Bündnis angehört, die Krim wegzunehmen. Eine
völlig andere, in ein Land einzumarschieren, das Mitglied der Nato
ist. Denn das wäre trotz des unbändigen Drangs der Europäer nach
„Friede, Freude, Eierkuchen“ der Casus Belli. Das weiß Wladimir Putin
sehr genau. Insofern ist die Angst, die die Polen und die Balten
angesichts der Ukrainekrise umtreibt, unbegründet. Dass US-Präsident
Obama dennoch die zumindest zeitweise Verlegung von US-Truppen an die
russische Westgrenze in den Bereich des sehr wohl möglichen rückt,
ist der nüchternen Erkenntnis geschuldet, dass die Europäer allein
politisch einfach nicht genug Gewicht haben, um ohne die USA wenn
nötig die eiserne Faust auszupacken. Dass er in Polen so deutlich
geworden ist, ohne den Rest der Bündnispartner vorher im Detail zu
konsultieren, sagt indes viel über den Zustand der Nato aus. Ohne die
USA ist sie ein Papiertiger. Das war während des Kalten Krieges so
und danach erst recht. Die militärischen Kapazitäten der Briten und
Franzosen reichen gerade einmal für begrenzte Einsätze in ihren
ehemaligen Kolonien. Und die Bundeswehr tut sich offenkundig sehr
schwer, ihre ohnehin schon massiv reduzierte Mannschaftsstärke
aufrechtzuerhalten, seit sie eine Berufsarmee ist. Auf Dauer wird das
jedoch nicht so weitergehen können. Denn die USA verlangen – zu Recht
– eine fairere Verteilung der Lasten. Deutschland, dem es
wirtschaftlich so gut geht wie selten zuvor, muss davon einen soliden
Teil übernehmen. Barack Obama sollte das Angela Merkel laut und
deutlich sagen.

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