Allg. Zeitung Mainz: Quo vadis EU? / Kommentar zur Osterweiterung der Europäischen Union

Die Idee der Erweiterung der EU nach Osten war gut
und richtig, die Durchführung jedoch mehr als schlampig, das Ergebnis
wirtschaftlich zwar positiv, politisch aber eher durchwachsen. Grund
dafür war und ist die mangelnde Analyse der Auswirkungen des
Näherrückens der westeuropäischen Demokratien an Russland, dem durch
die schrittweise Aufnahme nahezu aller früheren Satellitenstaaten auf
einmal der Puffer nach Westen fehlte. Wladimir Putins Verhalten im
Fall der Ukraine belegt das augenscheinlich. Er fühlt sich von den
Europäern betrogen, weil außen vor gelassen beim Bau des neuen Hauses
Europa. Und damit steht er in seinem Land keineswegs allein. Er
übernahm eine Nation, der durch Gorbatschows und Jelzins Bereitschaft
zur Aufgabe des Status einer Weltmacht, eine gehörige Portion
Selbstbewusstsein abhanden kam.

Zehn Jahre nach der Osterweiterung der EU wird es deshalb hohe
Zeit für eine neue Russlandpolitik der Gemeinschaft. Dabei geht es
nicht darum, in Moskau nachzufragen, bevor man neue Staaten zum
Mitmachen beim Erfolgsmodell EU ermuntert. Es geht darum, Russland
davon zu überzeugen, dass geografisch mehr EU nicht weniger Russland
bedeutet. Ach ja, da sind ja auch noch die Europäer selbst, also die,
die schon vor 2004 EUler waren. Die hatten vor allem Angst vor
hunderttausenden Sozialschmarotzern. Bekommen haben sie
hundertausende, zumeist gut ausgebildete ehrgeizige Menschen, ohne
die zum Beispiel ihr Sozialstaat längst nicht mehr funktionieren
könnte. Zehn Jahre EU-Osterweiterung: Zweifellos eine
Erfolgsgeschichte, aber eine, die nur dann eine reibungsfreie
Fortsetzung finden wird, wenn man endlich versucht, Russlands
Befindlichkeiten zu verstehen und zu beachten. Das Chaos um die
Ukraine zeigt, was passiert, wenn man das nicht tut.

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