Allg. Zeitung Mainz: Zwiegespalten / Kommentar zu den Auftritten türkischer Politik / Von Christian Matz

Die Niederlande machen Deutschland vor, wie mit den
Wahlkampfauftritten türkischer Minister umzugehen ist. Dies ist die
naheliegende, die scheinbar einfache Erkenntnis aus diesem
Wochenende. Wer für ein autoritäres Regime wirbt, aber demokratische
Regierungen als Nazis und Faschisten beschimpft, missbraucht seine
Redefreiheit und muss die Konsequenzen dafür tragen – richtig so.
Dennoch kann die Frage, ob auch hierzulande die Auftritte gestoppt
werden sollten, nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantwortet
werden. Das Problem ist dann doch etwas komplexer, als es die
Vereinfacher auf beiden Seiten glauben machen wollen. Vor allem: Wo
soll das alles noch hinführen? Abseits der verbalen Ausfälle und
Vergeltungsphantasien kann weder der Türkei noch den EU-Ländern an
einer weiteren Eskalation gelegen sein. Dazu muss man nicht mal
ständig auf das Flüchtlingsabkommen verweisen. Die Türkei ist ein
Nato-Partnerland, Millionen Türken leben und arbeiten in Westeuropa,
sie sind ein wichtiger Teil der Gesellschaften. Und: Sie sind in
ihrer Einstellung zu Erdogan zwiegespalten; der einzige, dem die
Absage der Wahlkampfauftritte kurzfristig hilft, ist deshalb der
oberste Wahlkämpfer selbst. Erdogan kann sich und seine Türkei als
Opfer des bösen Westens inszenieren – und seine abgewiesenen Minister
als Märtyrer. Das bringt wichtige, möglicherweise entscheidende
Wählerstimmen.

Nach der von Erdogan und seinen Ministern gezielt herbeigeführten
Konfrontation mit den Niederlanden – dort ist ebenfalls Wahlkampf,
ein Geschenk für Erdogan – ist nun Gelassenheit und Vernunft gefragt,
auch wenn dies zunächst als naiver Wunsch erscheinen mag. Dazu gehört
die Einsicht, dass die Auftritte türkischer Minister nicht
grundsätzlich verboten sind, weil die Meinungsfreiheit eben auch für
ausländische Politiker gilt. Aber dass sie, je nach Beurteilung des
konkreten Falls, verboten werden können, dies steht außer Frage.
Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht gerade ausdrücklich
hingewiesen. Im Falle eines solchen Verbots darf sich die
Bundesregierung dann auch nicht wegducken, sie muss – genauso wie es
die niederländische Regierung getan hat – eine Entscheidung auf
oberster Ebene treffen, ob sie einen türkischen Politiker ins Land
lassen will oder nicht. Ein Kriterium dabei: Wer Deutschland
fortwährend beleidigt, bedroht und die Meinungsfreiheit hierzulande
nutzen will, um sie zu Hause in der Türkei abzuschaffen, muss draußen
bleiben. Nach diesen Maßstäben hat zumindest Recep Tayyip Erdogan
derzeit hier nichts zu suchen.

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