Angebliche Vorteile von Einwegflaschen aus Plastik erweisen sich als Fata Morgana der Plastikindustrie

Gemeinsame Pressemitteilung

Hersteller von Einweg-Getränkeverpackungen überflutet den Markt
mit tendenziösen Ökobilanzen – Kunststoffindustrie lässt die
PET-Einwegflasche mit falschen und realitätsfremden Annahmen schön
rechnen – Stiftung Initiative Mehrweg und Deutsche Umwelthilfe zeigen
in einer Stellungnahme an Bund und Länder, mit welchen Tricks die
Einwegbranche, ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen
schönrechnen lässt

In den vergangenen Wochen hat die Einweg-Verpackungs¬indus¬trie
zunächst die PET-Einwegflasche, dann die PET-Einwegflasche mit
Rücklogistik (Petcycle-System) und schließlich auch die Getränkedose
(schein)heilig gesprochen. Jeweils von den Verpackungsherstellern in
Auftrag gegebene Studien kamen angeblich zum Ergebnis, dass die
untersuchten Einweggetränkeverpackungen aus ökologischer Sicht mit
umweltfreundlichen Mehrwegflaschen mithalten können. Unter Aufwand
hoher Summen wird seitdem von der Dosen- und Plastikflaschenindustrie
behauptet, ihre Einwegverpackungen seien nun genauso gut wie Mehrweg.

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) und die Stiftung Initiative
Mehrweg (SIM) zeigen an der von der IK Industrievereinigung
Kunststoffverpackungen e.V. beauftragten Studie „PET Ökobilanz 2010“
exemplarisch, wie die Verpackungsindustrie mit Taschenspielertricks
Ergebnisse zu ihren Gunsten zurecht biegt. Tatsächlich kommt bei
einer genauen Interpretation der Studie nämlich heraus, dass Mehrweg
in allen untersuchten Fällen Einweg überlegen ist. Die DUH und die
SIM fordern Bund und Länder zu einem kritischen Umgang mit
interessegesteuerten Ökobilanzen sowie zu einer neutralen
Neubewertung von Getränkeverpackungen auf.

Um mit den veröffentlichten Ökobilanzen einen unabhängigen
Eindruck zu erwecken, wurde in allen drei Fällen das Heidelberger
Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) mit der Durchführung
der Studien beauftragt. Der Haken dabei: Ökobilanzen sind nur so gut
wie die zugrundeliegenden Annahmen. Durch die Vorgabe
realitätsfremder Annahmen lässt sich das Ergebnis hübsch
beeinflussen. „Eine Ökobilanz ist eine Art “Black Box“: Wenn
realitätsfremde und falsche Annahmen in die Berechnungen eingespeist
werden, kommen auch falsche und verzerrte Ergebnisse heraus“, erklärt
Clemens Stroetmann, Staatssekretär a.D. und Geschäftsführer der SIM.
Ferner sei auch die Auswahl der untersuchten Verpackungssysteme
ausschlaggebend für das Ergebnis. „0,7 Liter Glas-Mehrwegflaschen mit
doppelt so großen 1,5 Liter PET-Einwegflaschen zu vergleichen,
erscheint so treffend wie ein Vergleich von Tomaten mit Melonen:
Außer das sie beide Wasser enthalten, haben sie im Vergleich wenig
mit einander zu tun.“

„Die Kunststoffindustrie missbraucht im wirtschaftlichen
Eigeninteresse das Instrument der Ökobilanz gleich auf mehreren
Ebenen. Mit realitätsfremden Annahmen niedriger Mehrweg-Umlaufzahlen
und gezielter Nichtberücksichtigung von PET-Einwegflaschen für stille
Wässer und Markenprodukte lässt sich die Industrie mit Hilfe von ifeu
Plastik-Einwegflaschen auf Teufel komm raus schön rechnen. Was hier
betrieben wird ist Verbrauchertäuschung pur“, kritisiert Jürgen
Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Korrigiert man die
realitätsfernen Annahmen in der Studie mit realen Marktdaten der
Branche und vergleicht relevante Marktsegmente miteinander, so kommt
dabei heraus, dass Mehrwegflaschen nach wie vor klar die Nase vorn
haben“. Sogar unter den in der Studie für PET-Einweg sehr günstig
getroffen Annahmen schneiden PET-Mehrwegflaschen in allen und
Glas-Mehrwegflaschen in drei von vier Produktgruppen in Punkto
Umweltauswirkungen eindeutig besser ab. Nur für kohlensäurehaltige
Wässer und Erfrischungsgetränke und unter den getroffenen, von der
SIM und der DUH deutlich in Frage gestellten Annahmen konnten die
Verfasser der Studie beim direkten Vergleich einer 0,7 Liter
Glas-Mehrwegflasche mit einer 1,5 Liter PET-Einwegflasche keine
eindeutigen ökologischen Vorteile für das eine oder das andere System
ableiten. „Die Kunststoffindustrie versucht in der Außendarstellung
mit Hilfe der industrie-beauftragten Ökobilanz die
Einweg-Plastikflasche grundsätzlich zu glorifizieren mit dem Ziel,
politische Maßnahmen zum Schutz der umweltfreundlichen Mehrwegsysteme
– wie beispielsweise eine Lenkungsabgabe auf
Einweggetränkeverpackungen – zu torpedieren“, erklärt Jürgen Resch.
Dabei hat selbst das Augsburger bifa Umweltinstitut unlängst bei der
Vorstellung einer vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen
Studie festgestellt, dass gerade eine derartige Lenkungsabgabe sehr
zielführend wäre, um den Anteil der Getränke, die in Mehrwegflaschen
abgefüllt werden, zu erhöhen.

Die gemeinsame Stellungnahme der SIM und der DUH zur
„PET-Ökobilanz 2010“ steht im Internet unter
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2329 und
unter www.stiftung-mehrweg.de zum Download bereit.

Hintergrundinformationen

In der Studie „PET Ökobilanz 2010“ wurden die Umweltauswirkungen
von Einweg- und Mehrwegverpackungen für kohlensäurehaltige
Mineralwässer und Erfrischungsgetränke sowie für stille Mineralwässer
in der Vorratshaltung (≥ 0,7 Liter) und beim Sofortverzehr (<
0,7 Liter) verglichen. In allen vier untersuchten Produktgruppen
schneidet die PET-Mehrwegflasche besser als die PET-Einwegflasche ab.
In drei der vier Produktgruppen ist auch die Glas-Mehrwegflasche der
PET-Einwegflasche eindeutig ökologisch überlegen. Nur in einem der
vier untersuchten Produktgruppen können die Verfasser der Studie beim
Vergleich von PET-Einwegflaschen und Glas-Mehrwegflaschen – unter den
getroffenen Annahmen – in der Gesamtbewertung keine eindeutigen
ökologischen Vorteile für das eine oder das andere System ableiten.

In der „PET Ökobilanz 2010“ werden unter den am Markt leichtesten
Plastik-Einwegflaschen mit den schwersten Mehrweg-Poolflaschen aus
Glas verglichen. In der Studie wurden weder marktüblichen
Optimierungen, noch explizit erkannte Optimierungspotenziale von
Mehrwegsystemen hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus sind
Importprodukte in der Bilanz außer Acht gelassen worden, was die
Ergebnisse für das Getränkesegment stiller Wässer deutlich besser
erscheinen lässt. Auch weitere Produktausgrenzungen und Annahmen zur
Produktion werden von der DUH und der SIM in Frage gestellt.

Grundsätzlich ist aus Sicht der SIM und der DUH anzumerken, dass
das Instrument der Ökobilanz Energie- und Stoffverbräuche sowie
definierte und normierte Umweltauswirkungen (soweit erfassbar)
vergleicht. Für eine umfassende Bewertung struktureller Zusammenhänge
bzw. für eine Nachhaltigkeitsbetrachtung sind Ökobilanzen jedoch
nicht hinreichend. Die Marktentwicklung der letzten Jahre weg vom
Einzelhandel hin zum Discounter zeigt, dass jedoch insbesondere diese
strukturellen Aspekte von besonderer Bedeutung sind. Unter
Berücksichtigung weiterer Aspekte wie Qualität und Schutz des
Füllgutes entwickeln sich für Glas-Mehrwegflaschen auch zusätzliche
Pluspunkte.

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170, E-Mail:
resch@duh.de

Clemens Stroetmann, Staatssekretär a.D., Geschäftsführer Stiftung
Initiative Mehrweg, Eichenweg 11, 14557 Wilhelmshorst, Tel.: 033205
24037, E-Mail: info@choch4.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Mobil:
0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

Eva Leonhardt, stellv. Geschäftsführerin Stiftung Initiative Mehrweg,
Tel.: 030 62721108; Mobil: 0160 941 70096, E-Mail:
el@evaleonhardt.de