Zu dem vom Kabinett heute beschlossenen Haushaltsentwurf 2011 und der mittelfristigen Finanzplanung bis 2014 erklaert der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:
Der Haushalt und die Finanzplanung basieren auf einer konjunkturell besseren Entwicklung als noch vor wenigen Monaten angenommen wurde. Die Regierung profitiert dabei von den Massnahmen der Konjunkturpakete aus der vergangenen Wahlperiode, die massgeblich von den SPD-Ministern im Kabinett konzipiert wurden und die inzwischen ihre volle Wirkung entfalten. Obwohl der Finanzminister auf die dennoch vorhandenen Risiken fuer die wirtschaftliche Entwicklung hinweist, wird unterstellt, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.
Intelligente Konsolidierung sollte immer ein Dreiklang aus Einnahmeverbesserungen, Foerderung von Wachstum und Beschaeftigung und Einsparungen auf der Ausgabenseite sein.
Haushalt und Finanzplanung der Bundesregierung zeigen dagegen:
– Die angeblichen Verbesserungen auf der Einnahmenseite sind Luftbuchungen und Hoffnungswerte,- wichtige und nachhaltige Investitionen zur Foerderung von Wachstum und Beschaeftigung werden zusammengestrichen und- die Kuerzungen auf der Ausgabenseite sind sozial nicht ausgewogen – die Zeche zahlen die kleinen Leute, die Gutverdiener werden verschont.
Im Einzelnen: Das kuerzlich beschlossene unsoziale „Sparpaket“
der Koalition praegt Haushalt und Finanzplanung. Die dort aneinandergereihten Hoffnungswerte und Luftbuchungen sind in den Haushalt uebernommen, die jeweilige Konkretisierung fehlt.
Dieser Haushalt ist ein Gebaeude, bei dem tragende Pfeiler schlicht noch fehlen. So sind zum Beispiel 4,8 Milliarden Euro pauschal als zusaetzliche Steuereinnahmen eingesetzt fuer „in der Haushaltsklausur der Bundesregierung am 6. und 7. Juni 2010 beschlossenen Massnahmen“. Der Haushaltsentwurf entspricht damit nicht den haushaltsrechtlichen Geboten der Vollstaendigkeit und hinreichenden Konkretheit von Einnahmen – und Ausgabenansaetzen.
Haushalt und Finanzplanung tragen den Stempel des unsozialen „Sparpakets“. Bei vielen Punkten des „Sparpakets“ (vergleiche
Anlage) ist noch voellig unklar, ob und wie sich die zerstrittenen Koalitionaere auf konkretere Regelungen einigen werden und ob die angepeilten Einsparbetraege beziehungsweise Mehreinnahmen dann tatsaechlich erreicht werden. Bei den geplanten Einsparungen durch die Streitkraeftereform ist in den vergangenen vier Wochen seit der Sparklausur fuer 2013 schon eine Milliarde Euro verlorengegangen und nach 2014 verschoben.
Hier wird das mangelnde Vertrauen in die eigene Schaetzung offensichtlich. Umfassende Bewertungen sind deshalb zurzeit schwierig. Klar ist aber: Dieses „Sparpaket“ ist in erster Linie ein Umverteilungspaket. Es kassiert ab bei Arbeitslosen und Geringverdienern, bei Eltern und Wohngeldempfaengern. Es verschont bewusst die Gut- und Sehr Gut-Verdiener. Die Koalition fordert keinen Beitrag von der Wirtschaft ein, sondern beguenstigt noch die Kernenergiewirtschaft durch Verlaengerung von Laufzeiten mit dicken Gewinnen, die nur zu einem geringen Teil abgeschoepft werden. Sie laesst den krisenverursachenden Bankensektor nahezu ungeschoren, belastet aber massiv die Rentenkasse. So bringt die Koalition mutwillig den sozialen Frieden in unserem Land in ernste Gefahr und setzt die Akzeptanz fuer den notwendigen Konsolidierungskurs aufs Spiel.
Dieser Haushalt ist ein weiterer Beleg fuer die Nettoluege der Regierung Merkel/Westerwelle. Statt der versprochenen Entlastungen werden nun alle Menschen in Deutschland weniger statt mehr Netto vom Brutto haben. In einer konjunkturell fragilen Situation wird so die Binnennachfrage geschwaecht und der Aufschwung aufs Spiel gesetzt.
Haushalts- und Finanzplanung werden entgegen den Beteuerungen von Bundesfinanzminister Dr. Schaeuble den Anforderungen der Schuldenbremse nicht gerecht. Zunaechst hat er sich willkuerlich einen Schuldenabbaupfad fuer die Jahre 2011 bis 2014 zurecht gebastelt. Selbst fuer das Ministerium war bis vor kurzem noch selbstverstaendlich, dass die Soll-Zahlen des Bundeshaushalts 2010 die massgebliche Ausgangsbasis fuer die Berechnung des Abbaupfades sind. Nun ploetzlich soll das nicht mehr gelten und ein – im Juni festgestelltes – voraussichtliches Ist fuer 2010 massgebend sein. Die Frage sei erlaubt: Wird dann im Herbst und/oder im Winter nochmals neu gerechnet?
Dieser zurechtgebastelte Abbaupfad verschaerft die Einsparzwaenge erheblich, fuer 2011 haette es zum Beispiel ohne diese Verschaerfung ueberhaupt keinen Einsparzwang gegeben. Und der Bundesfinanzminister verschaerft sie so sehr, dass er nun die Vorgaben der Schuldenbremse selbst nicht mehr sauber einhalten kann: 2011 muss er sich deshalb zusaetzlichen Verschuldungsspielraum schaffen durch ein kreditfinanzierbares Darlehen von sechs Milliarden Euro an die Bundesagentur fuer Arbeit, ein Zuschuss – wie in 2010 – waere nicht ueber Kredite finanzierbar gewesen. Durch diese Trickserei wird die Schuldenbremse allenfalls formal eingehalten. Und im Endjahr
2014 klafft – selbst wenn alle Luftbuchungen realisiert wuerden
– eine Luecke von 8,6 Milliarden Euro bis zur Einhaltung der Schuldenbremse (globale Minderausgabe zuzueglich irrealer Hoffnungswert der Effizienzverbesserungen am Arbeitsmarkt).
Mit der Vorlage des Regierungsentwurfs fuer den Haushalt versucht die Koalition fast schon verzweifelt einen weiteren Neustart. Ein Mal mehr wird aber nur die Behauptung von CDU/CSU und FDP widerlegt, dass sie die geborenen Regierungsparteien sind. Mit Geld koenne sie jedenfalls nicht umgehen.
Anlage: Kurzbewertung des sog. Sparpakets der Bundesregierung
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