Badische Neueste Nachrichten: Der Spaltspitz

Gründlichkeit vor Schnelligkeit: Angela Merkel
hat beim Startdatum für die Bankenaufsicht zu Recht auf die Bremse
getreten und die Begehrlichkeiten der Südeuropäer um Frankreich
abgewehrt. Denn es darf nicht sein, dass deutsches Steuerzahlergeld
aus dem Euro-Rettungsfonds ESM im Hau-Ruck-Verfahren an halbherzig
kontrollierte Schrott-Banken in Krisenstaaten fließen kann, die am
Ende doch noch in die Pleite rutschen. Genau darum geht es aber. Der
Streit zeigt überdeutlich: Die Schuldenkrise spaltet Europa immer
tiefer, obwohl es mehr denn je Einigkeit bräuchte. Während
Deutschland weiter auf Sparen, Strukturreformen und
Haushaltskontrolle als Königsweg aus der Schuldenmisere setzt, macht
sich Frankreich zum Fürsprecher der Südeuropäer, die nach mehr
Solidarität bis hin zu einer gemeinsamen Schuldenhaftung rufen. Paris
ist gegen einen mächtigen Sparkommissar mit nationalen
Durchgriffsrechten wie Berlin es möchte. Dafür will Frankreich, dass
es endlich Eurobonds gibt. Eine große EU-Vertrags-Reform scheint
erstmal in weite Ferne zu rücken. Eine weitere Integration aller 27
Staaten dürfte nicht zu machen sein. Sollten die Länder der Euro-Zone
ihre Zusammenarbeit weiter vertiefen, werde Großbritannien sein
Verhältnis zur EU auf eine neue Grundlage stellen, kündigte Premier
David Cameron beim Gipfel an. Er denke gar nicht daran, Souveränität
abzugeben, sondern wolle Zuständigkeiten aus Brüssel nach London
zurückholen. Das ist eine Kampfansage. Europa steht mehr denn je vor
der Zersplitterung: in einen Kern jener, die den Euro durch eine
politische Union stabilisieren möchten, jene, die vor allem eine
Transferunion anstreben und jene, die Europa am liebsten auf eine
große Freihandelszone reduzieren möchten. Das zusammenzubringen –
kommt der Quadratur des Kreises gleich. Es hat sich etwas
Grundlegendes im deutsch-französischen Verhältnis geändert. Jahrelang
war es üblich, dass Deutsche und Franzosen sich vor Brüsseler
Ratssitzungen auf einen gemeinsamen Weg verständigten, um erfolgreich
ihre traditionellen Schrittmacherdienste in Europa zu leisten. Jetzt
aber hat sich Hollande auf die Seite der Südländer geschlagen. Was
Paris anstrebt, ist eine Euro-Gruppe, in der alle für die
Versäumnisse der Defizitsünder haften.

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