Badische Neueste Nachrichten: Die Lethargie rächt sich

Das Chaos ist absehbar. Empörte Eltern, die ihre
Krippenplätze einfordern, gestresste Erzieherinnen, die nicht mehr
wissen, wohin mit den Kindern, bestens ausgelastete Anwälte und
entnervte Verwaltungsbeamte, denen täglich neue Klagen in ihre
Rathäuser flattern: Obwohl Bund, Länder und Gemeinden inzwischen mehr
als zwölf Milliarden Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung gesteckt
haben, ist die noch immer nicht auf der Höhe der Zeit. Ob im Moment
noch 100 000 Plätze fehlen oder gar noch 150 000, spielt dabei schon
fast keine Rolle mehr. Mitten im Bundestagswahlkampf bekommt die
Politik ein riesiges Rechtfertigungsproblem: Sie hat etwas
versprochen, das sie nicht halten kann. Ein Platz für jedes Kind
unter drei, das einen solchen Platz braucht? Von wegen. Bis dieses
Angebot steht, werden noch ein, zwei Jahre verstreichen. Mindestens.
Auch ein weiterer Krippengipfel im Frühjahr wird daran nichts ändern.
Während der Bund seinen Teil früh erfüllt und gezahlt hat, hatten es
Länder und Gemeinden mit dem Neubau und Ausbau von Kindergärten und
-krippen nicht allzu eilig. Dass ein gutes Betreuungsangebot heute
womöglich ein weit wichtigerer Standortfaktor ist als ein neues
Gewerbegebiet, wollten viele Bürgermeister und Landesminister ebenso
wenig wahrhaben wie die sich veränderte Arbeits- und Lebenswelt, in
der Frauen früher zurück in ihre Berufe wollen oder Arbeitgeber dies
regelrecht einfordern. Nun rächt sich diese Lethargie: Viele junge
Eltern die dringend einen Platz für ihr Kind brauchen und keinen
bekommen, werden ihren Rechtsanspruch im Sommer einklagen – und in
den meisten Fällen auch Recht bekommen. Die Kosten für teure
Schadenersatzzahlungen allerdings können Bürgermeister und Kämmerer
schlecht dem Bund aufhalsen, wie ihre Funktionäre es jetzt versuchen:
Ab 1. August sind die Kommunen in der Pflicht.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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