Badische Neueste Nachrichten: Ein Marketing-Experte Kommentar Von Martin Ferber

Weder musste er den Giftbecher leeren noch
loderte ein Scheiterhaufen, die Guillotine blieb ihm ebenso erspart
wie ein Straflager in Sibirien. Thilo Sarrazin lebt noch immer, mehr
noch, er lebt sogar recht gut, sein vor vier Jahren erschienenes Buch
„Deutschland schafft sich ab“ hat ihn zum Millionär gemacht.
Gleichwohl sieht sich der frühere SPD-Politiker, der nach dem
Erscheinen dieses Buches als Vorstandsmitglied der Bundesbank
zurücktreten musste, als Opfer eines „Meinungskartells“ aus Politik
und Medien, der moralisch und bürgerlich „vernichtet“ wurde, nur weil
er angeblich unbequeme Wahrheiten ausgesprochen habe, die nichts ins
vorherrschende Weltbild passten. Dass er mit seinen kruden Thesen
Vorurteile schürte, verschweigt er hingegen. Aus seiner persönlichen
Betroffenheit hat er nun wieder ein Buch gemacht, das Buch zum Buch
sozusagen, und wieder holt der frühere Berliner Finanzsenator den
ganz großen Vorschlaghammer aus seinem Werkzeugkeller. In Deutschland
sei die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit stark
eingeschränkt, weil selbst ernannte Tugendwächter darüber wachen, was
gesagt werden dürfe und was nicht und das jeden unerbittlich
verfolge, der sich nicht an die Regeln halte, unbequeme Fragen stelle
oder der Gesellschaft den Spiegel vorhalte. Wie er. Eine interessante
These, über die auch diskutiert werden kann, die allerdings im Falle
Sarrazins einen entscheidenden Schönheitsfehler hat: Er hat keinen
Grund, sich über eine Einschränkung seiner Meinungsfreiheit zu
beklagen. Thilo Sarrazin macht es sich einfach, sehr einfach. Gezielt
sucht er die Provokation und spielt dabei mit Tabus. Er bedient sich
der Medien und inszeniert den Konflikt mit ihnen, um sich hinterher
als Opfer der Medien darzustellen. Das aber ist keine Einschränkung
der Meinungsfreiheit, sondern eine Marketing-Strategie. Und die darf
man durchaus kritisieren.

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