Badische Neueste Nachrichten: Erdogans Normalität

Der Einzug des Kopftuchs ins türkische Parlament
markiert einen weiteren Triumph von Recep Tayyip Erdogan über seine
politischen Gegner. An sich mag man es begrüßen, dass ein zu 99
Prozent muslimisches Land aufhört so zu tun, als gebe es keine Frauen
mit Kopftuch. Erdogans Anhänger sprechen deshalb von Normalisierung.
Seine Gegner sehen eher ein taktisches Manöver vor den Kommunalwahlen
in fünf Monaten. Tatsächlich wäre es Teil einer Normalisierung, wenn
die Regierung auch jene gesellschaftlichen Realitäten im Land
respektieren würde, die ihr politisch nicht so gelegen kommen. So
lange es keinen Zwang zum Kopftuch gibt, ist eine Korrektur möglich.
Der Einsatz der AKP ist leider viel zu häufig auf die eigenen
Parteiinteressen begrenzt. Wenn ein Ministerpräsident wie Erdogan
sagt, wer Alkohol trinken wolle, der solle das gefälligst hinter
verschlossener Tür zu Hause tun, der zeigt kein Verständnis für
andere Lebensweisen als seine eigene und die seiner Anhänger. Bei den
Gezi-Unruhen vom Juni gab sich die Regierung angesichts unbequemer
politischer Forderungen lieber düsteren Verschwörungstheorien hin als
zu versuchen, die Gründe hinter den Protesten zu erforschen und die
Demonstranten ernst zu nehmen. Auch das gehört zur türkischen
Normalität im Jahr 2013: Viele Menschen im Land empfinden Erdogans
Politik als Versuch, sie auf eine konservative Linie zu zwingen.

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