Badische Neueste Nachrichten: In der Schieflage

Es haben schon Bundesländer oder Fraktionen
wegen geringerer Dinge in Karlsruhe geklagt als nun Hessen und
Bayern. Dass deren Klage von den Profiteuren des Finanzausgleichs,
aber auch von Landesfinanzminister Nils Schmid (SPD) als
Wahlkampfgetöse abgetan wird, darf getrost in den Bereich der
politischen Folklore verwiesen werden. Vertraten doch jene, die nun
die beiden so heftig schelten, in vergangenen Jahrzehnten ihre
Interessen ebenfalls mit Klagen in Karlsruhe – immer wieder ging es
auch um den Länderfinanzausgleich, bei dem man sich als zu kurz
gekommen sah. Die derzeitige Debatte bildet aber nicht die sonst
üblichen Parteilager ab. Während der grüne Ministerpräsident Winfried
Kretschmann die derzeitige Praxis massiv kritisiert, aber von seinem
glücklos agierenden Juniorpartner Nils Schmid gebremst wird und nicht
vor das Verfassungsgericht ziehen darf, bekommt Hessens
Unions-Ministerpräsident Bouffier Unterstützung von den
oppositionellen Grünen. Die am Geldtropf des Südens hängenden
regierenden Ost-Christdemokraten attackieren unterdessen ihre
Unions-Kameraden. Der Wähler vergisst zwar vieles, Karlsruhe aber
kaum etwas. Dort wird die Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte
in aller Regel nicht Knall auf Fall verworfen, üblicherweise wird sie
vielmehr behutsam weiterentwickelt. Und wer die vier Urteile der
vergangenen 25 Jahre in dieser Sache mal genauer unter die Lupe
nimmt, erkennt, dass die Richter den Politikern die Arbeit in dieser
Sache nicht abnehmen wollten. Nur wenn sich einer, wie 2006 die
Bundeshauptstadt Berlin, allzu schamlos aus den Finanztöpfen bedienen
will, ohne eigene Anstrengungen abzuliefern, dann schiebt Karlsruhe
dem einen Riegel vor. Die anderen Urteile in Sachen
Länderfinanzausgleich lassen hingegen einen Tenor erkennen: Der
Länderfinanzausgleich muss nach nachvollziehbaren Gesichtspunkten
erfolgen, er darf die Zahler nicht über Gebühr schwächen, und die
ärmeren Länder haben nicht den Anspruch, aufs völlig gleiche Niveau
gehoben zu werden, auf dem sich die finanzstarken Länder befinden.
Und Karlsruhe erlaubt zudem Berechnungsmethoden, die sich nicht
alleine an Steuerkraft und Bevölkerungszahlen orientieren. Nach
dieser Vorgabe der Richter 1999 haben die Parteien im Konsens die
entsprechenden Gesetze gestrickt. Doch das ganze hochkomplexe System
gerät in die Schieflage: Wenn nur noch drei Länder zahlen und alle
anderen profitieren, stimmt was nicht. Wenn sich ärmere Länder Dinge
leisten, die sich die anderen verkneifen, dann geht dies ebenfalls
nicht in Ordnung. Dass sich was tun muss, geben ja sogar
Finanzminister der Empfängerländer zu – zumindest wenn sie unter sich
sind – und vereinbarten eine Reform des Finanzausgleichs und
Verhandlungen. Doch das Ergebnis von Verhandlungen, bei denen drei
gegen 13 Bundesländer stehen, ist leicht vorherzusagen. Zumal es den
erklärten Willen manches Ministerpräsidenten gibt, kein Jota von der
Nehmerposition abzurücken. Mit fremdem Geld kann man eben gut
fröhlich sein. Doch 2019 muss sowieso eine Neuregelung kommen. Der
Zweite Senat wird nicht die Wünsche der Kläger voll erfüllen, aber er
wird für diese Reform eine Basis schaffen.

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Klaus Gaßner
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