Badische Neueste Nachrichten: Keine Vorbild

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble kennen kein
Pardon. Die Euro-Krisenländer müssten ihre Haushalte grundlegend
sanieren, ihre Schulden radikal abbauen und umfassende Reformen
durchführen, um wieder handlungsfähig zu sein, werden die Kanzlerin
und ihr Finanzminister nicht müde zu betonen. Nur, was die
Bundesregierung von ihren Partnern in der Euro-Zone lautstark
einfordert, will sie selber für sich nicht gelten lassen. Der
Haushaltsplan 2013, den Wolfgang Schäuble in dieser Woche in den
Deutschen Bundestag einbringt und über den das Parlament in erster
Lesung debattiert, ist alles, nur kein Dokument eines ehrgeizigen
Sparwillens, einer konsequenten Haushaltskonsolidierung und eines
eisernen Willens zu Reformen. Im Gegenteil. Obwohl die Wirtschaft
boomt und die Steuereinnahmen neue Rekordhöhen erreichen, nimmt der
Bund im nächsten Jahr 18,8 Milliarden Euro an neuen Schulden auf. Als
Vorbild für Europa taugt Deutschland auf diese Weise nicht. Dass
Wolfgang Schäuble gleichwohl sein Ziel, ab 2016 die Vorgaben der im
Grundgesetz verankerten Schuldenbremse einzuhalten, erreicht, ist
nicht dem Reformeifer der Regierung, sondern einzig und allein den
idealen äußeren Rahmenbedingungen geschuldet. Weil Deutschland für
seine Kredite praktisch keine Zinsen mehr zu zahlen hat, muss
Schäuble für die alten Schulden 2,47 Milliarden weniger als im
Vorjahr bezahlen. Und weil dank der guten Konjunktur die Sozialkassen
im Geld schwimmen, sinken die Zuschüsse des Bundes zur
Krankenversicherung wie für die Bundesagentur für Arbeit. Somit
schrumpfen die Etats von Gesundheitsminister Bahr und
Sozialministerin von der Leyen von alleine, ohne etwas zu tun. Bricht
allerdings die Wirtschaft ein, lösen sich die schönen Zahlen in Luft
auf, die Ausgaben steigen wieder an. Und die Landung auf dem harten
Boden der Realität ist umso bitterer. War der Sparwillen der
schwarz-gelben Koalitionäre schon in den letzten Jahren äußerst
gering ausgeprägt – das 2010 beschlossene ambitionierte Sparpaket
wurde gerade einmal zur Hälfte umgesetzt -, ist er zum Ende der
Legislaturperiode endgültig erlahmt. Die Regierenden gönnen sich
einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Das Betreuungsgeld soll
eingeführt werden, im Auswärtigen Amt wie im Entwicklungsministerium
werden neue Stellen geschaffen, in fast der Hälfte aller Ministerien
steigen die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit. Es ist eben ein
Wahljahr, und da gilt es auch Wohltaten zu verteilen. Dabei fehlte es
den Koalitionären nach der Wahl nicht an Ehrgeiz. Doch schnell
verließ sie der Mut. Weder wurde der Mehrwertsteuer-Irrsinn
abgeschafft noch der Subventionsdschungel gelichtet noch die
öffentliche Verwaltung reformiert, im Gegenteil, es kamen neue
Leistungen, neue Subventionen und neue Steuern hinzu. Dabei müssten
es Angela Merkel und Wolfgang Schäuble mit Blick auf die Krisenländer
besser wissen: Eine Haushaltskonsolidierung in guten Zeiten ist
mühsam und schwierig, aber machbar, in schlechten Zeiten hingegen
fast unmöglich, weil mit extremen Zumutungen für die Bürger
verbunden. Die Zeiten werden nicht besser. Schäubles Schönwetter-Etat
ist darauf nicht vorbereitet.

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Klaus Gaßner
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