Es blieb dem Bundespräsidenten vorbehalten, dem
Ereignis jenes rechte Maß zuzuweisen, das manchen offenkundig
verloren gegangen war: Der Amtswechsel im Bundesumweltministerium, so
meinte Joachim Gauck gestern im Schloss Bellevue, als er Norbert
Röttgen formell entließ und Peter Altmaier die Ernennungsurkunde
übergab, sei ein Ausdruck der Demokratie, in der wir leben, eine
republikanische Normalität. Ja, was denn sonst? Was wurde der
Bundeskanzlerin nicht alles vorgeworfen, als sie Röttgen nach seiner
krachenden und erkennbar selbst verschuldeten Wahlniederlage gegen
seinen Willen abrupt feuerte: Politische Wendigkeit, Kaltherzigkeit,
Stillosigkeit, mangelnde Standfestigkeit und mangelnder Charakter –
mindestens. Was hätte man Merkel wohl um die Ohren gehauen, wenn sie
an ihrem „Klügsten“ trotz und alledem festgehalten hätte:
Politische Kameraderie, Nibelungentreue, mangelnde
Durchsetzungsfähigkeit wohl. Eine waidwunde, eine lahme Ente, die das
wichtigste und schwierigste innenpolitische Projekt der schwarzgelben
Koalition vorantreiben soll, die Energiewende, davon träumt die
Opposition, die so plötzlich ihre Neigung zu Röttgen entdeckt hat, zu
Recht. Es wird immer deutlicher, dass die Kanzlerin, klüger, kühler
und, ja, auch kaltblütiger als die meisten ihrer innerparteilichen
Kritiker, durchaus im Blick hatte, dass ihr einstiger Zögling Röttgen
nicht nur ein beispiellos schlechter Wahlkämpfer war, sondern auch
ein schwacher Umweltminister, dessen Durchsetzungsfähigkeit sowohl
bei den eigenen Leuten als auch bei der Opposition nach dem Debakel
endgültig infrage stand. Es hat für einen demokratisch gewählten
Regierungschef schon weniger gute Gründe gegeben, einen Minister zu
entlassen. Es ist bezeichnend, dass Angela Merkel jetzt Atem holt und
schon für heute die Ministerpräsidenten der Länder ins Kanzleramt
geladen hat, um einen Neustart bei der Energiewende zu versuchen. Die
Hoffnungen der Koalition richten sich nun auf Peter Altmaier, dem
Eigenschaften nachgesagt werden, die Röttgen zu seinem und seiner
Sache Schaden abgingen, vor allem die Fähigkeit zur Kommunikation und
zur Formulierung von Kompromissen, aber auch eine Prise
erdverbundener Leutseligkeit. Ein Netzwerker also, an den sich im
komplexen Geflecht von Ökonomie und Ökologie, von Koalition und
Opposition, von Bundestag und Bundesrat, aber auch von Deutschland
und Europa hochfliegende Erwartungen knüpfen.
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Klaus Gaßner
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