In der Kunst, Konflikte elegant zu umschiffen,
war die FDP noch nie besonders gut. Anders als die CDU, die im
Dezember ebenfalls vier Kandidaten für die drei Plätze hinter Angela
Merkel hatte, lassen es die Liberalen darauf ankommen. Sie schaffen
nicht einfach einen zusätzlichen Stellvertreterposten wie die Union,
sondern tragen ihren Wettbewerb um Macht und Einfluss in der Partei
offen aus. Beim Parteitag in Berlin, treten nicht nur die bisherigen
Stellvertreter von Parteichef Philipp Rösler, Birgit Homburger,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Holger Zastrow noch einmal an,
sondern auch der frühere Generalsekretär Christian Lindner. Am Ende
wird einer von ihnen scheitern, und es wird nicht der junge Lindner
sein. Für die meisten Wähler spielt es keine große Rolle, wer in der
arg gebeutelten FDP wo in der zweiten Reihe sitzt, sie messen die
Partei an ihrem Vorsitzenden, an dem designierten Spitzenkandidaten
Rainer Brüderle und an dem, was die Liberalen in dieser
Legislaturperiode alles geleistet oder auch nicht geleistet haben.
Tatsächlich jedoch bündeln sich im Kampf der Stellvertreter wie unter
einem Brennglas Probleme und Perspektiven der Freien Demokraten. Der
Sachse Zastrow etwa dürfte die größten Schwierigkeiten haben, seinen
Posten zu verteidigen, weil die FDP in den neuen Ländern teilweise am
Rande der Wahrnehmungsschwelle operiert – und er selbst auch. Mit
Lindner verhält es sich genau umgekehrt. Der 34-Jährige könnte längst
Parteichef sein, doch er hat gekniffen. Spätestens seit seinem
Triumph im Mai, als er die Liberalen aus dem demoskopischen Nichts
mit mehr als acht Prozent in den Landtag von Nordrhein-Westfalen
geführt hat, ist er der Mann der Zukunft. Lindners Wahl am Wochenende
gilt als sicher. Wenn die FDP im Herbst den Einzug in den Bundestag
verpasst oder in der Opposition landet, ist es nur noch eine Frage
der Zeit, bis der eloquente Nachwuchsstar Rösler ablöst. Birgit
Homburger und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hätten unter
normalen Umständen keine Probleme, ihre Parteiämter zu verteidigen.
Aber was ist noch normal in der FDP? Obwohl die Liberalen ein
manifestes Frauenproblem haben, heißt das noch lange nicht, dass sich
die wenigen Frauen, die schon an verantwortlichen Positionen sitzen,
ihrer Sache sicher sein können. Im Gegenteil. Der Justizministerin
hilft diesmal vor allem der Umstand, dass Bayern im Herbst den
Landtag wählt – deshalb werden sich die Delegierten sehr genau
überlegen, ob sie die bayerische Landesvorsitzende öffentlich
abstrafen. Dass sie das letzte prominente Gesicht des linksliberalen
Bürgerrechtsflügels ist? Geschenkt. So en vogue sind ihre Themen in
der FDP zurzeit nicht. Der baden-württembergischen Landesvorsitzenden
Homburger geht es ähnlich: Auch ihr Rückhalt bröckelt, für die
Bundestagswahl musste sie sogar Entwicklungsminister Dirk Niebel als
Spitzenkandidat der Südwest-FDP den Vortritt lassen. Sie ist neben
Zastrow die zweite Wackelkandidatin.
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