Badische Neueste Nachrichten: Tabubruch Kommentar Von Anja Ingenrieth

Es ist ein Tabubruch: als erstes Land weltweit
erlaubt Belgien die aktive Sterbehilfe für Minderjährige – ohne
Altersgrenze. Mediziner erwarten eine Handvoll Fälle pro Jahr.
Voraussetzung für aktive Sterbehilfe bei Minderjährigen ist eine
unheilbare Krankheit. Ein Psychologe muss bezeugen, dass der
Minderjährige urteilsfähig ist. Damit sind psychisch kranke Kinder
und todkranke Babys ausgenommen. Dennoch ist das Gesetz unausgegoren.
Wer will schon objektiv beurteilen, ob ein Kind wirklich reif genug
ist, seinen Tod zu wünschen? Ungeklärt ist auch, was passiert, wenn
nicht beide Elternteile der Sterbehilfe zustimmen. Kritiker und
Patientenschützer warnen zu recht vor einem Dammbruch. Die Zahlen
belegen dies bei der aktiven Sterbehilfe für Erwachsene: 2002 wurde
diese in Belgien legalisiert. Seither stiegen die Fallzahlen von 235
im Jahr 2003 auf 1 432 im vergangenen Jahr. Auch die
Anwendungsbereiche wurden immer mehr ausgedehnt. Beispiel Demenz: Wer
will entscheiden, ob ein dementer Patient sein Leben noch als
lebenswert empfindet? Belgien wollte die Sterbehilfe ursprünglich
auch auf Demenz ausweiten, schreckte davor aber zurück – noch
zumindest. Der schnelle Tod per Giftspritze ist ein Holzweg.
Stattdessen muss eine bessere Palliativmedizin das Ziel sein. Geld
dafür auszugeben ist die moralische Pflicht einer Gesellschaft -die
sich solidarisch nennen will.

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