Badische Neueste Nachrichten: Unbequeme Wahrheiten

Gut zwei Wochen nach Beginn des Feldzuges gegen
die Al-Qaida-Islamisten in Nordmali zeichnen sich ein paar unbequeme
Wahrheiten ab. Etwa diese: Der von Frankreich angeführte
internationale Einsatz ist kein kurzer Spaziergang, sondern dürfte
eher eine Art Marathon werden. Und er wird wohl trotz erster
militärischer Siege, etwa der anstehenden Eroberung der weltberühmten
Karawanenstadt Timbuktu, noch manche Rückschläge erleiden. Für
vorschnelles Triumphgeheul gibt es also keinen Anlass. Die riesige
nordmalische Wüste, mehr als zweimal so groß wie Deutschland, wird
selbst mit Tausenden Soldaten nicht so einfach zu kontrollieren sein.
Die islamistischen Rebellen kennen sich hier aus wie in ihrer
Westentasche. Sie haben es gelernt, sich im Sand unsichtbar zu
machen, über Grenzen zu verschwinden und plötzlich wie ein Spuk
wieder aufzutauchen und zuzuschlagen. Es bleibt also eine schwierige
Operation, die nicht nur Nordmali, sondern die ganze Sahararegion
berührt, und deren Ausgang völlig offen ist. Ohne weitere
entschlossene Unterstützung der westlichen Verbündeten und der
Einbindung der malischen Nachbarn in eine große Anti-Terror-Koalition
wird dieser Einsatz nur schwerlich erfolgreich sein. Eine heikle
Mission, die wohl noch viele Opfer fordern wird. Nicht nur auf dem
Schlachtfeld in Mali, von dem dieser Tage grauenhafte Berichte über
schwere Menschenrechtsverletzungen eintreffen. Begangen von den
Islamisten, genauso wie von der an Frankreichs Seite kämpfenden
malischen Armee, die offenbar noch ein paar alte Rechnungen
begleichen will. Auch andernorts muss mit Horrortaten gerechnet
werden, wie die blutig beendete Terror-Geiselnahme im Nachbarland
Algerien lehrte. Aktuelle Warnungen der europäischen
Sicherheitsbehörden stehen dafür, dass die Terrorsorgen auf dem
Kontinent ebenfalls größer werden. Doch obwohl der Westen darin einig
ist, dass ein zweites Afghanistan vor der Haustür Europas verhindert
werden muss: Lust, den Franzosen an der Wüstenfront mit Soldaten
beizustehen, verspürt derzeit offenbar niemand. Möglicherweise, weil
Mali doch ziemlich weit entfernt liegt? Doch dies könnte sich noch
mit dem konkreten Näherrücken von Terrorgefahren ändern. Es ist
natürlich richtig: Der Konflikt in der Sahara wird sich nicht alleine
mit Waffen lösen lassen, sondern zugleich starke Taten brauchen. Es
sind zum Beispiel Strategien gefragt, um Mali, einem der ärmsten
Staaten Afrikas, eine neue Zukunft zu bieten. Dazu gehört zunächst
die baldige Rückkehr zur Demokratie nach dem Putsch in der Hauptstadt
Bamako. Auch weitere Militärhilfe, um die schwache Armee überhaupt
einsatzfähig zu machen. Und großzügige Entwicklungshilfe, um vor
allem dem Norden eine wirtschaftliche Alternative zum verbreiteten
Wüstenschmuggel zu bieten. Genau genommen fängt mit einem Ende der
Kämpfe in Nordmali die Arbeit in der Region erst richtig an. Dies
wird dann vor allem ein Job der EU sein, die zweifellos am meisten an
stabilen Verhältnissen auf der anderen Seite des Mittelmeeres
interessiert sein muss. Der Weg zu einer dauerhaften Entspannung in
der Sahara ist jedenfalls noch lang und steinig. Doch bei allen
Ungewissheiten sollte inzwischen wenigstens eines klar sein: Europa
darf Mali und seine Nachbarn nicht im Stich lassen. Sonst könnten
sich die Probleme im nördlichen Afrika bald in europäische Probleme
verwandeln.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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