Badische Neueste Nachrichten: Voller Harmonie

Nicht nur in Athen gab es Streicheleinheiten von
Kanzlerin Merkel für die gebeutelte griechische Regierungsmannschaft.
Auch beim gestrigen Besuch des ungarischen Regierungschefs Viktor
Orban in Berlin war alles auf Harmonie ausgerichtet – von harscher
Kritik am Regierungsstil des Gastes aus Budapest keine Spur. Noch vor
ein paar Monaten galt Orban als Buhmann in der Europäischen Union,
der mit seinem autokratischen Kurs die Demokratie im Land an der
Donau in Gefahr brachte. Anstatt Klartext zu reden und die weiter
bestehenden Missstände offensiv anzuprangern, regierten gestern in
Berlin diplomatische Floskeln. Artig wurde der Regierung Orban
bescheinigt, dass sie in den kritischen Punkten nachgebessert habe,
so etwa beim Wahlrecht oder in der Frage der Pressefreiheit.
Allerdings bleibt ein Makel bestehen: Allzu rasch lässt sich Viktor
Orban von der Zweidrittelmehrheit seiner Fidez-Partei verführen, die
ihn im Parlament nach Gutdünken schalten und walten lässt. Rasch
bleiben auch europäische Grundwerte auf der Strecke, wenn es ins
parteipolitische Bild des starken Mannes aus Budapest passt. Derzeit
will es die Kanzlerin mit keinem EU-Regierungschef verderben, das
gilt für Ungarn genauso wie für Griechenland. Wo deutliche Worte
angebracht wären, regieren verständnisvolle Gesten. Die EU ist mehr
als nur eine Wirtschaftsgemeinschaft – wer sich an ihr beteiligt,
muss sich auch mit ganzer Kraft für die Wahrung der Grundwerte
einsetzen. Da hapert es bei Orban noch kräftig.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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