Die Euro-Krise treibt seltsame Blüten. So
fordert Spanien jetzt die Deutschen auf, mehr Einsatz und Solidarität
zu leisten. Da scheint jemand zu übersehen, dass ohne die deutschen
Milliardenhilfen das Euro-System längst kollabiert wäre. Der
gemeinsame Schwur von EZB, Frankreich und Deutschland, „alles“ zur
Euro-Rettung zu unternehmen, soll beruhigen. Aber wie viel ist alles?
Der spanische Europaminister Iñigo Mendez de Vigo hat sich mit seinem
Tadel an die deutsche Adresse schwer vergriffen. Sein Vergleich, auch
Deutschland habe nach dem Zweiten Weltkrieg ausländische Hilfe
erhalten, hinkt. Offenbar meinte er damit den Marshallplan von 1948,
mit dem die USA Kredite, Rohstoffe und Lebensmittel bereitstellten,
um dem zerstörten Europa Anstöße für seinen Wiederaufbau zu geben.
Diese Parallele ist historischer Humbug. Im Nachkriegseuropa litt
kein Land, weil es über seine Verhältnisse gelebt hatte, sondern weil
alle darbten. Heute erinnert auch niemand die Spanier an ihre
Raubzüge im 16. Jahrhundert, als sie Silber und Gold tonnenweise aus
Amerika erbeuteten. Der Debattenbeitrag aus Madrid ist lediglich ein
weiterer Beleg für einen Diskurs, bei dem die Logik aus dem Ruder
läuft. Ernst gemeint scheint dagegen das deutsch-französische
Versprechen, man wolle „alles“ tun, um den Euro zu schützen. Ähnlich
hatte sich zuvor auch Mario Draghi, Präsident der Europäischen
Zentralbank (EZB), geäußert. Wenn das mehr als eine offizielle
Beruhigungspille sein sollte, stellt sich die Frage, welche
ergänzenden Hilfsmaßnahmen damit gemeint sein könnten. Sind bisher
noch nicht genügend Milliarden eingesetzt worden, drohen weitere
Nachschüsse? Angela Merkel und François Hollande gaben der EZB
überraschend grünes Licht für den Ankauf von Staatsanleihen der
kriselnden Schuldenstaaten. Damit segnet Deutschland einen weiteren
Verstoß gegen seine eigenen Prinzipien ab. Denn eigentlich bleibt es
der EZB verboten, sich als Staatsfinanzier zu betätigen. Über die
Bedenken der Deutschen Bundesbank, im EZB-Rat leider in der
Minderheit, setzte sich die Kanzlerin hinweg – ein weiterer fataler
Schritt in Richtung Schuldenunion. Dass die EZB als Feuerwehr
einspringt, beruhigt die Finanzmärkte nur kurzzeitig. Denn Draghis
Vorrat an Löschwasser ist begrenzt. Er reicht allenfalls bis
September, wenn über Griechenland entschieden werden muss und das
Bundesverfassungsgericht sein Urteil fällt. An den Schuldenbergen,
den Reform- und Sparzwängen kann sich niemand vorbeidrücken.
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