BERLINER MORGENPOST: Apple ist mehr als nur Steve Jobs – Leitartikel

Was wird nun aus Apple? Kein Unternehmen steht so
sehr im Schatten seines Chefs wie der iPhone-Hersteller aus
Kalifornien. Nun muss Steve Jobs aus gesundheitlichen Gründen seine
Funktion aufgeben, und alle Welt fragt sich: Kann das gut gehen? Und
was ist Apple ohne Jobs? Es kann, denn Apple ist mehr als nur sein
Chef. Natürlich ist die Angst berechtigt, dass Apple ohne den
charismatischen Gründer den steilen Aufstieg der vergangenen Jahre
nicht weiter durchhält. Apple nährt mit seiner eigenen Geschichte die
Zweifel am zukünftigen Erfolg. Nachdem Jobs 1985 aus dem Unternehmen
herausgedrängt wurde, ging es stetig bergab, stand vor dem Konkurs.
Man bat Jobs zurück auf den Posten, von da an ging es wieder
aufwärts. Heute ist Apple der wertvollste Technologiekonzern
überhaupt. Ohne Jobs wäre Apple wohl von der Bildfläche verschwunden.
Muss uns das kümmern, wenn es denn so gekommen wäre? Ja, muss es.
Letztlich ist auch Apple „nur“ ein Unternehmen, das existiert, um
möglichst viel Geld zu verdienen. Doch zugleich ist Apple weitaus
mehr. Der Konzern mit dem Apfel und sein Gründer Steve Jobs haben
nicht nur atemberaubende technische Entwicklungen hervorgebracht, sie
haben unser Verständnis von (Industrie-)Ästhetik geprägt, unseren
Lebensstil verändert. Das Leben vieler war anders, bevor Mac, iPod
und iPad existierten. Apple hat sich aber seit 1985 auch selbst
verändert, schon deswegen gibt es keinen vorbestimmten Weg für den
Konzern. Weil Jobs sich selbst äußerst gekonnt inszenierte,
verstellte er allzu häufig den Blick auf das, was hinter ihm stand.
Dort steht heute eine Organisation, deren Manager und Designer es
geschafft haben, den Geschmack so gut zu treffen und die Logistik so
sehr zu perfektionieren, dass Konkurrenten beim Betrachten der
Apple-Gewinnmargen bleich werden. Apple ist nicht nur Marktführer
beim Verkauf digitaler Musik. Der Konzern hat den Smartphone-Markt
revolutioniert und schaffte mit seinem iPad eine ganz neue
Computer-Kategorie. Das ist sicherlich zu einem großen Teil der
Verdienst von Jobs, aber eben nicht nur sein Verdienst. Jobs hat bei
Apple eine Kultur des Perfektionismus eingeführt, die das Arbeiten
bei Apple nicht immer einfach machte, aber deren Ergebnisse Jobs fast
immer recht gegeben hat. Ob der Konzern all das verinnerlicht hat,
was Jobs ihm vorlebte, zeigt sich mittelfristig. Die Produktpipeline
für die kommenden zwei bis drei Jahre steht in dieser Branche zu mehr
als 80 Prozent fest. Es wird keinen kurzfristigen Rückschlag geben.
Erst danach stellt sich heraus, wie gut Jobs– Auswahl war und ob
Apple dann noch Entscheider hat, die nicht nur Ergebnisse der
Marktforschung umsetzen, sondern auch bereit sind, Risiken
einzugehen. Die Marke Apple ist in jedem Fall stark genug, um dem
Unternehmen auch ohne Jobs an der Spitze die Zeit zu geben, sich
erneut zu beweisen. Denn eines muss trotz allem klar sein: Die
Verbraucher kaufen Apple-Produkte, weil sie von ihnen überzeugt sind.
Und nicht wegen Steve Jobs. Zumindest nicht nur.

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