BERLINER MORGENPOST: Assad handelt – wir tun zu wenig Daniel-Dylan Böhmer über die halbherzige Rhetorik der Bundesregierung

Wir können doch nicht überall helfen“, sagt man in
Deutschland gern, wenn man sich einer moralisch richtigen
Militärintervention entziehen will. Oder man verweist auf Beispiele,
wo man genauso gut oder noch eher hätte eingreifen müssen, aber es
nicht getan hat. Beiden Argumenten fehlt die Logik: Dass man einmal
falsch gehandelt hat, rechtfertigt nicht, dass man es auf Dauer tut.
Und dass man nicht immer richtig handeln kann, darf nicht bedeuten,
dass man es niemals tut. In Syrien jedoch können wir wirklich nicht
helfen. Weil dessen Armee zu hochgerüstet ist und weil im Nahen Osten
ein Flächenbrand droht, wenn der Westen den Alliierten Irans
angreift. Aber wir könnten besser handeln, als wir es tun. Wir
könnten wenigstens klar aussprechen, was offenkundig ist: Assad muss
gehen. Die exzessive Gewalt gegen sein eigenes Volk nimmt ihm auf
Dauer jede Legitimation zur Herrschaft. Wer Widerspruch mit einem
Massaker beantwortet, der kann kein Träger staatlicher Gewalt mehr
sein. Er ist zum Fluch seines Volkes geworden, und das ist der
Assad-Klan in Wahrheit schon lange. Warum sagt Angela Merkel das
nicht, warum nicht Barack Obama? Fürchten sie, später auf der
falschen Seite der Geschichte zu stehen, wenn Assad durchhält? Wenn
man hört, dass die Bundesregierung Assads Vorgehen gegen Zivilisten
„auf das Schärfste verurteilt“, den Diktator aber zu nichts mehr
aufruft, als dazu, die Gewalt „umgehend einzustellen“, dann kommt
einem der Gedanke, dass Berlin das auch beim nächsten Massenmord
fordern kann, den Damaskus befiehlt. Und dass die Bundesregierung
damit schon rechnet. Zugegeben: Die EU hat unter Beteiligung
Deutschlands Sanktionen gegen Syrien verhängt, und die sollen nun
verschärft werden. Das ist auch gut so, und vielleicht sind
Sanktionen häufig das bessere Mittel, um einen rücksichtslosen
Machtapparat zum Umdenken zu zwingen. Aber manchmal braucht es nicht
nur Taten, sondern auch Worte. Dass wir uns trotz unserer Sanktionen
nicht prinzipiell gegen Assad aussprechen, lässt den fatalen Schluss
zu, wir wollten den Gesprächsfaden nach Damaskus nicht ganz abreißen
lassen. Es darf aber bezweifelt werden, ob ein Regime, das bereit
ist, Tausende Bürger zu seinem Machterhalt umzubringen, noch mit
Worten bekehrt werden kann. Im Falle des syrischen Schutzpatrons Iran
ist diese gerade in deutschen Diplomatenkreisen gern verfochtene
Strategie schon einmal kläglich gescheitert. Wenn wir aber nicht
endlich deutlich werden, dann verpassen wir nicht nur eine Chance,
etwas richtig zu machen. Wir tun ohne Not und Gewinn etwas richtig
falsch. Das ist der ganz reale Schaden, den wir mit unseren
maulfaulen Verurteilungen riskieren: Dass die Revolutionäre in der
arabischen Welt den Eindruck gewinnen, wir glaubten nicht daran, dass
die Demokratie siegen könnte. Dass wir es vielleicht gar nicht
wirklich wollen. Der Nahe Osten und Nordafrika sind unsere
unmittelbare Nachbarschaft in der Welt. Was dort geschieht, bestimmt
unser Schicksal mit. Ob die Menschen in der neuen arabischen Welt in
Zukunft unsere Werte teilen, hängt auch und vor allem davon ab, wie
glaubwürdig wir sie jetzt vertreten. Wir tun zu wenig.

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