Kurzform: Die Verfassungsschützer haben die 
Entwicklung gesehen, der Hauptfokus der Behörden galt jahrelang dem 
Kampf gegen den Islamismus. Wurde der Terror von rechts verharmlost? 
Die Frage stellt sich – nach dem Fall Lübcke, nach der Drohung gegen 
Mohring. Die Innenpolitiker haben den Hebel umgelegt, sind dabei, die
Strafen zu verschärfen, den Ermittlungsdruck in den sozialen 
Netzwerken zu erhöhen, mehr Beamte im Kampf gegen rechts zu 
mobilisieren. Es wird dauern, bis sich erste Erfolge zeigen. Und: Die
Gesellschaft wieder ins Lot zu bringen, ist eine politische Frage, 
weniger eine polizeiliche.
   Der vollständige Leitartikel: Wer töten will, ist kaum zu stoppen.
Die NSU-Terroristen taten es jahrelang ohne Drohungen, Ankündigungen 
oder Bekennerschreiben. Sie passten nicht zum gängigen Muster. Die 
Leute, die seit gut einem Jahr Hunderte von Morddrohungen 
verschicken, gieren nach Aufmerksamkeit – eine leichte Übung im 
Zeitalter des Internet. Wenn es damals schon möglich gewesen wäre, 
hätten die Entführer der RAF in den 70er-Jahren ihre Anschläge wie 
der Attentäter von Halle als Livestream übertragen. Der Thüringer 
CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring musste die Morddrohung gegen ihn 
nicht an die große Glocke hängen. Er tat es mit Bedacht, 
demonstrativ, unter dem Eindruck von Halle und aus ähnlichen Motiven 
wie Andreas Hollstein, der Bürgermeister von Altena, Ende 2017: Um 
darauf aufmerksam zu machen, dass die Zahl der Hassnachrichten an 
Amtsträger steigt, und um eine Solidarisierung mit den Opfern zu 
erreichen. Aus ähnlichen Motiven hatte sich Bundespräsident 
Steinmeier noch im Sommer öffentlichkeitswirksam mit Bürgermeistern 
getroffen, die übel beschimpft wurden. Die Demokraten dürfen sich 
nicht kleinmachen. Das Dilemma ist, dass es nur eine Wahl zwischen 
schlechten Alternativen gibt. Hasskommentare lassen sich nicht 
ignorieren, weil sich über das Internet und die sozialen Netzwerke 
leicht eine Gegenöffentlichkeit aufbauen lässt. Organisiertes 
Desinteresse ist also keine realistische Option. Wer umgekehrt die 
Öffentlichkeit sucht, muss sich freilich darüber im Klaren sein, dass
er sich erwartungsgerecht verhält. Das „Staatsstreichorchester“, das 
Mohring geschrieben hat, wollte nicht nur ihn bedrohen, zugleich 
viele andere Personen des öffentlichen Lebens einschüchtern und 
möglichst politisch mundtot machen. Man soll davor zurückschrecken, 
sich für Fremde, Flüchtlinge einzusetzen. Deswegen sind die 
Kommunalpolitiker so schlecht dran: Sie sind diejenigen, die 
Integration organisieren, und diejenigen, die den Unmut ungefiltert 
abbekommen. Die Verrohung der Sprache, ja der Gesellschaft hat einen 
jahrelangen Vorlauf. Es ist offensichtlich, dass es 2015 einen 
Filmriss gab. „Pegida“ wurde Ende 2014 ins Leben gerufen, aber die 
Volksverhetzung erreichte erst im Zuge der Flüchtlingskrise ihren 
Höhepunkt. Längst haben sich die Zuzugszahlen normalisiert. Nur der 
Hass hat sich nicht gelegt. Das sollte uns alarmieren, zumal die 
Mehrheit der Migranten im Land bleiben wird und im Zuge der aktuellen
Syrienkrise noch mehr Flüchtlinge kommen könnten. Die politische 
Polarisierung und der Hass können weiter zunehmen. Im Sommer 2015 
bekannte Kanzlerin Angela Merkel, „wenn wir jetzt anfangen, uns noch 
entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein 
freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“. Vier 
Jahre später ist es offensichtlich: Ein Teil Deutschlands ist nicht 
Merkels Land. Der Auftrieb einer Partei wie der AfD ist auch dadurch 
zu erklären, dass Teile des Bürgertums Extremisten gewähren lassen – 
sie docken an die Mitte der Gesellschaft an. Die Verfassungsschützer 
haben die Entwicklung gesehen, der Hauptfokus der Behörden galt 
jahrelang dem Kampf gegen den Islamismus. Wurde der Terror von rechts
verharmlost? Die Frage stellt sich – nach dem Fall Lübcke, nach der 
Drohung gegen Mohring. Die Innenpolitiker haben den Hebel umgelegt, 
sind dabei, die Strafen zu verschärfen, den Ermittlungsdruck in den 
sozialen Netzwerken zu erhöhen, mehr Beamte im Kampf gegen rechts zu 
mobilisieren. Es wird dauern, bis sich erste Erfolge zeigen. Und: Die
Gesellschaft wieder ins Lot zu bringen, ist eine politische Frage, 
weniger eine polizeiliche.
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