Die Offenlegung von vielen Tausend Seiten Papier
voll mit komplizierten juristischen Sachverhalten ist nicht wirklich
ein sexy Thema. Dennoch haben offenbar mehr als 200.000 Berliner das
Volksbegehren für ein Ende der Geheimverträge unterzeichnet, mit
denen CDU und SPD vor elf Jahren knapp die Hälfte der Berliner
Wasserbetriebe an RWE und Veolia verkauft haben. Die Motive der
Unterstützer dieses dritten erfolgreichen Volksbegehrens in den
vergangenen drei Jahren sind vielfältig: Die einen nerven die hohen
Wasserpreise. Andere finden es falsch, öffentliche Güter wie Wasser
privaten Unternehmen und ihrem Profitstreben zu überlassen. Wieder
andere stört, dass eine Regierung in so wesentlichen Fragen wie der
Wasserversorgung und den Vereinbarungen über Gewinngarantien für
private Investoren Geheimnisse hat vor ihrem Volk. Solche Abreden
stehen zu Recht unter Mauschelverdacht. Geheimniskrämerei lassen sich
aufgeklärte Bürger heutzutage immer weniger bieten. Egal, ob es um
angeblich alternativlose Bahnhofsneubauten in Stuttgart oder
vermeintlich notwendige Schwenks Berliner Flugrouten geht.
Transparenz ist zum entscheidenden Kriterium geworden, um
Entscheidungen von Behörden und Politikern gegenüber den Bürgern zu
legitimieren. Für Klaus Wowereit und seine rot-rote Koalition kommt
eine Volksabstimmung über die Wasser-Privatisierung mitten im
Wahlkampf überaus ungelegen. SPD und Linke können noch so sehr
beteuern, wie sehr sie das Anliegen des Volksbegehrens teilen und den
für Berlin unvorteilhaften Kontrakt gern offenlegen und korrigieren
würden. Die Bürger werden kaum verstehen, warum sie an die Urnen
müssen, um etwas durchzusetzen, was die Regierung eigentlich auch
möchte, aber es angeblich aus juristischen Gründen nicht tun kann. Es
stärkt nicht gerade die Glaubwürdigkeit einer linken Koalition, die
sich zwar die Rekommunalisierung öffentlicher Betriebe und
Infrastruktur auf die Fahnen schreibt, aber sich vom eigenen Volk zu
einer härteren Gangart gegenüber den privaten Mitgesellschaftern
auffordern lassen muss. Vor allem der wegen der damaligen Mitwirkung
am Geheimvertrag von schlechtem Gewissen geplagten SPD-Spitze fehlt
eine Idee, um den Volkswillen aufzunehmen und die peinliche
Abstimmung zu vermeiden. Anders als in den Streits über Tempelhof und
den Religionsunterricht kann die Koalition dabei aber nichts
gewinnen. Kaum ein Wähler wird für den Weiterbestand der
Geheimverträge und der hohen Wassertarife stimmen. Der Auftrag ist
klar: Die Bürger erwarten, dass der Senat den diskreten Deal mit RWE
und Veolia offenlegt und beendet. Wenn Klaus Wowereit im September
die Wahlen gewinnen will, sollte er die Bürger nicht in eine
Abstimmung laufen lassen, die am Ende wegen juristischer
Spitzfindigkeiten folgenlos bleibt. Solch einen Umgang verzeihen die
Bürger der Politik nicht länger.
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