Eine hilflose Verkehrssenatorin, die endlich
konkrete Pläne der Bahn AG verlangt, um das S-Bahn-Chaos zu beheben.
Eine Bahn-Führung, die Entschuldigungen stammelt und ansonsten die
Fahrgäste im kalten Wind stehen lässt. Ein Bundesverkehrsminister auf
Tauchstation. Ein Regierender Bürgermeister, der empört
Entschädigungen für die gebeutelten Bürger verlangt: Was die
Verantwortlichen in diesen Tagen zur S-Bahn absondern, haben sie im
Herbst 2009, als die Krise erstmals eskaliert war, auch schon mal
gesagt. Die Folgen waren gleich null. Die peinliche Misere geht
weiter, Ende offen. Und gleichzeitig fallen auch noch bei der BVG
viele Busse aus, weil auch dort aus Kostengründen auf Wartung und
Reparaturen verzichtet wurde. Die Krise des Nahverkehrs in der
Hauptstadt ist komplett – und dennoch ist sie nur ein Symptom für
eine verfehlte Verkehrspolitik in Deutschland insgesamt. Wer kurz vor
Weihnachten in einer keinesfalls extrem frostigen Nacht im Zug
zwischen Hannover und Berlin festsaß oder stundenlang an
Umsteigebahnhöfen im Matsch ausharrte, weiß aus eigener Erfahrung:
Die Katastrophe ist flächendeckend. Das wichtigste bundeseigene
Verkehrsunternehmen erfüllt seinen Auftrag nur ungenügend. Niemand
kann sich aus früheren Jahren an eine dermaßen miese Performance der
Bahn erinnern. Sicherlich ist die Technik komplizierter geworden.
Aber auch dieses Problem ist hausgemacht. Sind es zehn oder 20
Minuten Zeitersparnis wirklich wert, derart anfällige Systeme zu
konstruieren, die an Frosttagen zusammenbrechen? In den vollen Zügen
herrschte rund um Weihnachten Konsens: Seit die Bahn privatisiert
ist, sei alles schlimmer geworden, da waren sich die geplagten
Fahrgäste einig. Zwar ist die Bahn noch gar nicht an Private
verkauft. Aber der auf den Börsengang ausgerichtete Kurs der
Bundesregierungen unter Gerhard Schröder (Rot-Grün) und Angela Merkel
(Schwarz-Rot) hat bereits zu einer für die Kunden schädlichen
Geschäftspolitik geführt und den Profit an die erste Stelle gesetzt.
Nach den Erfahrungen mit der finanzmarkt-kompatiblen Bahn dürfte es
schwierig werden, den Deutschen irgendwann einmal die Idee von
Privatisierungen schmackhaft zu machen. Bahn und Bund haben ihr Geld
in einigen mehr oder weniger sinnvollen Großprojekten vergraben,
anstatt das System zu stabilisieren. Wenn jetzt die Koalition aus CDU
und FDP wieder 500 Millionen Euro Dividende von einem
Staatsunternehmen erwartet, zwingt sie die Manager, die stark am
Gewinn orientierte Politik fortzusetzen. Dabei verkennen sie, dass
die Bahn im Nah- und Fernverkehr eben kein Marktteilnehmer ist wie
jeder andere. Wer kein Auto besitzt oder sich keines leisten kann,
ist zwingend auf die Zugverbindungen angewiesen, solange das
Bus-Reisen aus Rücksicht auf die Bahn eingeschränkt bleibt. Wegen der
überragenden Bedeutung dieses Verkehrsmittels muss sich die Politik
auf den eigentlichen Zweck der Bahn besinnen: zuverlässige
Verbindungen bei jedem Wetter, bezahlbare Preise und ein Netz auch
jenseits der Haupt-Rennstrecken. Schienen-Unternehmen, die mich nicht
zuverlässig zu Weihnachten zur Oma oder jeden Morgen zur Arbeit
bringen, braucht niemand.
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