BERLINER MORGENPOST: Der Hass ist salonfähig – Leitartikel von Julia Emmrich

Die Erinnerung an den Anschlag von Solingen vor 25
Jahren ist von höchster Aktualität. Denn: Solingen war nicht das Ende
einer Phase der Eskalation. Es war ein brutaler Tiefpunkt, aber
keinesfalls ein Schlusspunkt. Solingen zeigt, wohin es führt, wenn
Hass sich im Recht fühlt. Und wenn Hasserfüllte glauben, handeln zu
dürfen.

Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen. Städtenamen, die Anfang der
1990er-Jahre für rechtsradikale Gewalt standen, für entfesselte
Wutbürger, hässlich und dumpf. Das bürgerliche Deutschland schaute
mit Entsetzen und Abscheu auf die Ausschreitungen – hielt den
brüllenden Mob, die gewalttätigen Rechten aber allenfalls für eine
hässliche Randerscheinung des wiedervereinigten Deutschlands.

Das Wegsehen und Kleinreden gelang lange Zeit gut, zumal sich in
jenen Jahren keine der etablierten Parteien bundesweit ernsthaft
durch rechte Konkurrenz bedroht sah. Mit der Fluchtkrise brach vor
drei Jahren scheinbar eine neue Zeit an.

Heute sitzt mit der AfD eine Partei im Bundestag, deren Wortführer
türkische Bürger öffentlich als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“
bezeichnen, die offen Ressentiments schüren und Muslime unverhohlen
und pauschal ausgrenzen.

Ihre Anhänger finden sich längst nicht mehr nur im Hinterzimmer
oder am Stammtisch des Internets, sondern bis weit hinein in einst
liberale, bürgerliche Kreise. Der Hass, die Ausgrenzung, das einfache
Freund-Feind-Denken ist nicht nur sichtbarer, sondern vielerorts
längst salonfähig.

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