BERLINER MORGENPOST: Die Basis des Rechtsstaats / Leitartikel von Andreas Abel zur Polizeiakademie

Kurzform: Eine gute Ausbildung ist Voraussetzung
für eine funktionierende Polizei und diese ist Basis des
Rechtsstaates. Wir müssen uns angesichts der Konkurrenz auf dem
Arbeits- und Ausbildungsmarkt damit abfinden, dass es nicht genügend
hundertprozentig geeignete Bewerber mehr gibt. Aber gerade dann muss
das Verfahren so gestrickt sein, dass es diejenigen erkennt, die
wenigstens zu 80 Prozent geeignet sind. Und für die restlichen 20
Prozent muss die Akademie sorgen. Es ist gut, dass der Bericht eines
externen Experten unaufgeregt analysiert, was bei der
Polizeiausbildung verbessert werden muss. Es ist bitter, dass dafür
erst Berichte über angebliche Skandale notwendig waren. In zwei,
spätestens drei Jahren sollte der nächste Bericht eines externen
Experten angefertigt werden. Damit Polizeiführung, Senat und
Öffentlichkeit erfahren, ob die Polizeiakademie jetzt auf einem guten
Weg ist. Auf „Skandale“ davor können wir gern verzichten.

Der komplette Leitartikel: Die Schilderungen der vermeintlichen
Zustände an der Berliner Polizeiakademie, die im vergangenen Herbst
scheibchenweise an die Öffentlichkeit drangen, ließen vielen
Berlinern die Haare zu Berge stehen. Die meisten Vorwürfe haben sich
inzwischen als haltlos erwiesen oder konnten zumindest nicht belegt
werden. Doch es gibt Probleme. Sie greifen tiefer, sind strukturell
und erfordern eine Reform der Ausbildung. Nun liegt der
Abschlussbericht des externen Sonderermittlers Josef Strobl und
seiner Mitarbeiter zur Ausbildungssituation an der Polizeiakademie
vor. Strobl bekundet zwar, er habe bei seinen Besuchen dort
„keinerlei großartige Missstände in Form von dienstrechtlichen
Unregelmäßigkeiten oder gar strafrechtlichen Verfehlungen
angetroffen“. Er verurteilt die Ausbildung auch nicht völlig. Aber es
stellt sich keine Erleichterung ein, wenn er zu dem Fazit gelangt,
„der Ausbildungserfolg in Gänze war und ist grundsätzlich noch nicht
in Gefahr“. Keinerlei großartige Missstände, noch nicht in Gefahr –
das reicht nicht. Und Strobl lässt ja auch keinen Zweifel daran, dass
an der Polizeiakademie dringend etwas passieren muss. Die noch unter
dem ehemaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) beschlossene Reform
der Ausbildung gehört auf den Prüfstand. Sie sollte praxisnäher
werden, dafür wurde etwa der Deutschunterricht reduziert. Nun stellte
Strobl fest, dass die sprachliche Kompetenz vieler Auszubildender
unterdurchschnittlich ist. 137 von 218 Azubis erreichten im Diktat
eine Sechs. Gegen Praxisnähe ist an sich nichts zu sagen, nur darf
damit nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Polizisten
müssen der deutschen Sprache mächtig sein, da kann es keine zwei
Meinungen geben. Aber auch eine notwendige Reflexion des Berufs ist
im Unterricht besser aufgehoben als in der Praxis. Wofür ist Polizei
da? Was muss und will ich tun, um den Beruf gut auszuüben? Wie sehe
ich meine Rolle in der Gesellschaft? Ein weiterer Kritikpunkt Strobls
betrifft die offensichtliche Kluft zwischen Führungskräften und
Mitarbeitern. Von Entfremdung ist die Rede, von innerer Kündigung.
Das muss die neue Leitung der Akademie ebenso entschlossen angehen
wie Polizeiführung und Innenverwaltung. Grundsätzlich muss deutlich
mehr Personal an die Polizeiakademie, um eine gute Ausbildung zu
gewährleisten. Ja, und auch, wenn es schmerzt: Dafür müssen
vorübergehend Kräfte aus anderen Dienststellen der Polizei abgezogen
werden. Eine gute Ausbildung ist Voraussetzung für eine
funktionierende Polizei und diese ist Basis des Rechtsstaates. Werden
an der Akademie die falschen Weichen gestellt, sorgt das in den
kommenden 20 Jahren für Probleme. Das betrifft schon das
Auswahlverfahren der Bewerber, bei dem Strobl ebenfalls
Verbesserungen anmahnt. Wir müssen uns angesichts der Konkurrenz auf
dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt damit abfinden, dass es nicht
genügend hundertprozentig geeignete Bewerber mehr gibt. Aber gerade
dann muss das Verfahren so gestrickt sein, dass es diejenigen
erkennt, die wenigstens zu 80 Prozent geeignet sind. Und für die
restlichen 20 Prozent muss die Akademie sorgen. Es ist gut, dass der
Bericht eines externen Experten unaufgeregt analysiert, was bei der
Polizeiausbildung verbessert werden muss. Es ist bitter, dass dafür
erst Berichte über angebliche Skandale notwendig waren. In zwei,
spätestens drei Jahren sollte der nächste Bericht eines externen
Experten angefertigt werden. Damit Polizeiführung, Senat und
Öffentlichkeit erfahren, ob die Polizeiakademie jetzt auf einem guten
Weg ist. Auf „Skandale“ davor können wir gern verzichten.

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