Auch in seiner Nahost-Politik hat Präsident Obama
bislang enttäuscht. Die jüngste Grundsatzrede zur Arabien-Politik hat
daran nichts geändert. Trotz einmal mehr kühner Worte. Die von ihm
aus historischen wie moralischen Gründen abgeleitete Parallele
zwischen den arabischen Aufständen und der Entstehung Amerikas im
Kampf gegen die britische Herrschaft und die daraus resultierende
Folgerung, sein Land könne deshalb gar nicht anders, als sich auf die
Seite der arabischen Völker zu stellen, ist grundsätzlich richtig.
Doch zu schön, um wahr zu sein. Würde Obama diese Botschaft wirklich
ernst nehmen, hätte er längst eine „grand strategy“ entwerfen müssen,
um das nahöstliche Pulverfass zu löschen. Aber es reichte wieder nur
zu Stückwerk. Dabei ist der Grund sogar einsichtig: Zu
unterschiedlich sind die amerikanischen Interessen in den einzelnen
arabischen Ländern, zu ungewiss weiter, wohin und woran sich die
Aufstände der arabischen Jugend am Ende bewegen und orientieren. Hin
zu freiheitlich demokratischen Lösungen oder doch zurück zu autoritär
religiösen Systemen? Würde Obama wirklich aufseiten der arabischen
Völker stehen, hätte er längst viel entschiedener durch Wort und Tat
deren Freiheitskampf unterstützen müssen. Und er hätte nicht zu
Bahrain und Saudi-Arabien schweigen dürfen. Einmal mehr stehen
Anspruch und Wirklichkeit im Widerspruch. Noch schwerer
nachzuvollziehen ist Obamas erneuerte Aufforderung an Israel, dem
einzig verlässlichen Verbündeten im Nahen Osten, dazu noch die
einzige Demokratie der Region, sich für einen Frieden mit den
Palästinensern auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen. Selbst bei
einem partiell einvernehmlichen Gebietsaustausch bleibt das für
Israel – bei aller notwendigen Kritik am unversöhnlichen Siedlungsbau
in den besetzten arabischen Gebieten – aus zwei Gründen unannehmbar.
Erstens bekräftigte die radikal-islamische Hamas-Organisation
gestern, sie werde unter keinen Umständen Israel anerkennen. Die
Hamas regiert im von Israel freiwillig geräumten Gazastreifen und hat
sich jüngst mit der palästinensischen Fatah wieder versöhnt. Von
Israel zu verlangen, mit einem Partner über künftige Grenzen zu
verhandeln, der unverändert die Vernichtung des jüdischen Staates
verfolgt, ist schon fast teuflisch. Fatah-Chef Abbas mag sich
friedfertig zeigen. Ohne Zustimmung der Hamas aber gibt es keinen
Frieden. Zweitens: Wer je auf den Golanhöhen gestanden und
hinabgeblickt hat ins Jordantal, sollte wissen, dass Israel dieses
auch im Sechstagekrieg erstürmte Hochplateau allenfalls nach einer
längeren Versöhnungsphase räumen wird. Von dort aus haben Araber vor
1967 wie aus einem Hochstand jahrelang urisraelische Siedlungen
beschossen. Deshalb stehen die Höhen aus einsichtigem Grund für
Israel zumindest vorerst nicht zur Disposition. Da verwundert es
schon, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido
Westerwelle unisono Obamas Friedenslösung auf Grundlage der Grenzen
von 1967 begrüßen. Sie sollten bedenken, dass sie die Existenz
Israels zur Staatsraison Deutschlands erklärt haben. Im Extremfall
heißt das, die Existenz Israels auch militärisch zu verteidigen.
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