BERLINER MORGENPOST: Die Sache mit dem Glashaus/ Ein Leitartikel von Diana Zinkler

Irgendwie „durchgerutscht“, einfach „aus dem Auge
verloren“ und „die Information übersehen“ und jetzt natürlich
„zutiefstes Bedauern“. Was sollen sie auch sonst sagen, die
Abgeordneten, deren nicht bezahlte Zweitwohnungssteuer in Berlin nun
bekannt geworden ist? Ihre Kommunikationsstrategie – Fehler
eingestehen, Fehler wiedergutmachen (also Steuerbetrag sofort
nachbezahlen) und hoffen, dass der Wähler die Angelegenheit möglichst
schnell vergisst – ist derart durchsichtig, wie sie unverschämt ist.

Denn einige dieser Abgeordneten haben sich mehrfach öffentlich
über Steuersünder ausgelassen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter
überschlug sich im Fall Uli Hoeneß mit den Äußerungen, der
Ex-Präsident des FC Bayern habe „das Gemeinwesen bestohlen“. Die
Geschäftspartner des Vereins beschimpfte Hofreiter, sie pflegten
aufgrund ihrer Hoeneß-Toleranz eine „abstoßende Doppelmoral“. Auch
der Hamburger SPD-Abgeordnete Niels Annen schrieb auf seiner
Homepage: „Steuerbetrug muss mit Entschlossenheit verfolgt und
geahndet werden…“ Und die gesundheitspolitische Sprecherin der
Grünen, Maria Klein-Schmeink, bemühte kürzlich die Phrase, dass
Steuerhinterziehung natürlich kein „Kavaliersdelikt“ sei und forderte
sogar, die Amnestie für reuige Steuersünder abzuschaffen. Andernfalls
drohe Justiz und Politik ein Vertrauensverlust, sagte die
Grünen-Abgeordnete.

Bei soviel Selbstgerechtigkeit fällt einem nur noch das berühmte
Glashaus ein. Auch wenn die Abgeordneten nicht wussten, dass sie im
Glashaus sitzen und es gerade ordentlich mit Steinen befeuern und
ihre Steuerversäumnis wirklich nur ein „Vergessen“ ist, wird mal
wieder klar: Bevor man andere verurteilt, sollte man sich selbst
prüfen. Das würde Vertrauen beim Wähler schaffen. Sich nicht auf
jedes gefundene Fressen wie im Fall Hoeneß stürzen, um mit einer
markigen These Aufmerksamkeit zu erheischen. Abgeordnete sollten in
Steuerfragen eben tatsächlich Vorbilder für die Bürger sein und nicht
vergessen, dass sie von Steuergeldern bezahlt werden. Die es dann
auch gilt rechtmäßig abzuführen. Das ist nur fair.

Fast ironisch wirkt es da, dass die Bundesregierung vor ein paar
Tagen ankündigte, die Eintreibung von Steuergeldern zu verschärfen.
Was auch die Strafen für Steuersünder betreffen wird. Und für jeden,
dem jetzt noch zufällig einfällt, in Berlin eine Zweitwohnung zu
haben: Zuständig für diese Steuer ist das Finanzamt Mitte/Tiergarten.
Denn merke: Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt.

Der Leitartikel im Internet: www.morgenpost.de/128016913

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