Berlins Wirtschaft ist in großer Sorge. Ab Anfang 
April starten die Initiatoren des Volksbegehrens „Deutschen Wohnen & 
Co enteignen“ ihre Unterschriftensammlungen. Unterstützt von der 
Linkspartei, gefördert von Teilen der Grünen und der SPD könnte das 
Volksbegehren erfolgreich sein. Gleichzeitig gibt es Bestrebungen des
Regierenden Bürgermeisters, Tausende Wohnungen, die vor Jahren 
privatisiert wurden, nun zurückzukaufen. Beide Vorhaben, sowohl die 
Enteignung als auch der Rückkauf, könnten Milliarden Euro kosten. Der
Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg, 
Christian Amsinck, warnte am gestrigen Mittwoch mit eindringlichen 
Worten: Berlins Finanzen eigneten sich nicht für Abenteuer.
   Genau das ist es, was in der Berliner Politik gerade passiert: ein
Abenteuer ohne voraussagbaren Ausgang. Die Enteignungsdebatte wird 
noch deutlich an Fahrt aufnehmen, da muss man kein Prophet sein. 
Viele Menschen haben die Befürchtung, mit ihren kleinen Renten oder 
Einkommen die Miete für die Wohnung nicht mehr bezahlen zu können. 
Deshalb verfängt auch die vermeintlich einfache Lösung einer 
Enteignung aller Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Einheiten so 
leicht. Doch das Problem des Wohnungsmangels ist so nicht zu lösen. 
Da ist vor allem das große finanzielle Risiko, das auch die Berliner 
Wirtschaft umtreibt. 30 Milliarden Euro könnten an Entschädigungen 
fällig werden. Geld, das nicht in den Neubau von Wohnungen fließt, 
sondern den Wohnkonzernen für bestehende Wohnungen gegeben werden 
müsste.
   Noch mal zur Erinnerung: Berlins Schulden liegen immer noch bei 57
Milliarden Euro, trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs, trotz hoher 
Steuereinnahmen. Und wer weiß: Vielleicht flaut auch der Aufschwung 
wieder ab. Und dann? Dann wäre nämlich für alles andere, für neue 
Schulen, für mehr Personal im öffentlichen Dienst, für Investitionen 
in den Verkehr plötzlich kein Geld mehr da.
   Oder man stürzt sich wieder in die Verschuldung. Die Überlegungen 
der Ratingagentur Moody–s, wegen der Enteignungsdebatte die Bonität 
Berlins schlechter zu bewerten, ist ein eindringliches Warnzeichen. 
Eine schlechtere Bonität hat zur Folge, dass neue Kredite für das 
Land teurer werden. Das wäre eine fatale Entwicklung. Hinzu kommt, 
dass die Schuldenbremse eigentlich genau eine solche Flucht in neue 
Schulden verbietet. Zudem werden die anderen Bundesländer wohl kaum 
in Euphorie verfallen, wenn Berlin, das immer noch viel Geld aus dem 
Länderfinanzausgleich erhält, Milliarden für die Enteignung von 
Wohnungskonzernen ausgibt.
   Doch statt klar zu sagen, dass sich die Stadt bei ihrem hohen 
Schuldenstand einen massiven Rückkauf von Wohnungen oder gar eine 
Entschädigung nach einer Enteignung nicht leisten kann, spielen die 
politisch Verantwortlichen in Berlin ein gefährliches Spiel. Die 
Linkspartei und Teile von SPD und Grünen unterstützten das 
Volksbegehren offen. Dabei gehört zur Wahrheit dazu, dass es auch 
Kollateralschäden der Enteignungen geben würde. Die 
Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS), ein Unternehmen der evangelischen 
Kirche, findet sich auf der Liste der zu enteignenden Unternehmen 
wieder. Ausgerechnet. Denn die Hilfswerk-Siedlung bietet Mietern 
verhältnismäßig günstigen Wohnraum an und gehört wahrlich nicht zu 
den Mietentreibern. Aber die Einrichtung der evangelischen Kirchen 
hat das Pech, dass sie eben auch über 3000 Wohnungen besitzt.
   Was wirklich gegen die Wohnungsnot hilft, ist der Neubau von 
Wohnungen. Der Enteignungsbewegung sollten der Regierende 
Bürgermeister und sein Senat eine klare Absage erteilen.
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