BERLINER MORGENPOST: Ein israelisches Angebot zum Frieden Clemens Werginüber die Aussichten der Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern

Werden wir bei den heute beginnenden
Nahost-Verhandlungen doch noch eine Überraschung erleben? Zunächst
sah ja alles nach dem üblichen Prozedere aus. Die Konfliktparteien
konnten nur unter erheblichem amerikanischem Druck dazu bewegt
werden, überhaupt an den Verhandlungstisch zu kommen. Und die
Gespräche hatten noch gar nicht begonnen, als Hamas-Terroristen vier
Israelis im Westjordanland umbrachten, um die Friedensbemühungen zum
Scheitern zu bringen. Es wäre nicht das erste Mal, dass es den
Radikalen gelänge, einen Friedensprozess in Nahost zu torpedieren.
Doch dann zeigte sich: Einiges ist diesmal doch anders als sonst.
Noch unter Jassir Arafat in den 90er-Jahren musste die
Autonomiebehörde nach jedem Anschlag lange gedrängt werden, bevor sie
dann nur halbherzig gegen Terroristen vorging (später schickte Arafat
gar seine eigenen Mordbuben gegen die Israelis los). Nun jedoch hat
die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schnell
und beherzt reagiert und viele Hamas-Extremisten festgenommen. Und
von israelischer Seite hört man Dinge, die so noch nie
regierungsoffiziell gesagt worden sind: Verteidigungsminister Ehud
Barak bietet den Palästinensern einen Teil Jerusalems an. Eine
erstaunliche Zäsur – selbst wenn aus dem Umfeld Netanjahus schnell
dementiert wurde, wohl um innenpolitische Verwerfungen zu verhindern.
Barak bricht hier mit einem Tabu. Und es ist klar, dass Israel in den
nun beginnenden Friedensgesprächen eigentlich nicht mehr hinter das
zurückgehen kann, was der Verteidigungsminister angeboten hat.
Natürlich weiß jeder, der sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt
hat, dass es einen Frieden ohne die Teilung der Heiligen Stadt nicht
geben wird. Aber es macht einen Unterschied, ob solche Angebote nur
Gegenstand von Geheimverhandlungen sind oder ob sie auch öffentlich
gemacht werden. Jerusalem und die Flüchtlingsfrage sind die
neuralgischen Punkte jeder Friedenslösung. Wenn Barak nun die von den
Israelis stets beschworene „Einheit Jerusalems“ infrage stellt, dann
ist das so, als hätte ein hochrangiger palästinensischer Politiker
gesagt, es sei doch klar, dass keine Flüchtlinge nach Israel
zurückkehren werden. Alle Experten wissen, dass ein Frieden und die
Schaffung eines Palästinenserstaates nur so möglich sein werden.
Dennoch hat bisher auf palästinensischer Seite niemand den Mut
gefunden, es dem eigenen Volk auch offen zu sagen. Die
palästinensische Führung sollte sich am Mut Baraks ein Beispiel
nehmen. Natürlich gibt es immer noch sehr viele Gründe, warum die
Gespräche scheitern könnten. Die vom Iran unterstützte Hamas-Bewegung
etwa wird weiter alles tun, um die Verhandlungen in den nächsten
Monaten zu Fall zu bringen. Baraks Vorstoß macht aber Hoffnung, dass
diese Friedensgespräche mehr bewegen können, als frühere es vermocht
haben.

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