BERLINER MORGENPOST: Ein Konzept istüberfällig Leitartikel von Gudrun Mallwitz über die politische Entscheidung, die Haasenburg-Heime zu schließen.

Es ist eine politische Entscheidung, die
Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) in der rot-roten
Regierungskoalition getroffen hat: Die umstrittenen Kinder- und
Jugendheime der Haasenburg GmbH sollen schnellstmöglich geschlossen
werden. Die unabhängige Expertenkommission, die Münch nach
Misshandlungs- und Drangsalierungsvorwürfen auf massiven öffentlichen
Druck eingesetzt hat, empfiehlt die Schließung nicht dringend. Die
Kommission aus Psychologen, Sozialpädagogen und Juristen zeigte auch
Alternativen zum Weiterbetrieb auf.

Ob die Fortführung der Heime unter veränderten Bedingungen
allerdings mit dem jetzigen privaten Träger umsetzbar gewesen wäre,
ist zweifelhaft. Denn die Wirklichkeit und das pädagogische Konzept
klafften nach Ansicht der Untersuchungskommission weit auseinander.
Eine akute Gefährdung des Kindeswohls konnten die Experten nicht
erkennen. Fest steht für sie aber: In den Einrichtungen herrschte ein
zu rigides Bestrafungssystem und Willkür, ein Klima der Angst und
fehlender Empathie. Was sich in den Heimen wirklich abgespielt hat,
das untersucht immer noch die Staatsanwaltschaft. Es gibt ernst zu
nehmende Hinweise darauf, dass die Menschenrechte von Jugendlichen
verletzt wurden. Auflagen wurden nicht eingehalten. Die dem
Ministerium unterstellte Heimaufsicht hat versagt.

Der Fall Haasenburg zeigt auch eins: die Probleme der Gesellschaft
mit straffällig gewordenen, sich oder andere gefährdenden
Jugendlichen. Denn bislang weiß keiner, wohin mit ihnen, wenn die
Haasenburg-Heime geschlossen werden. Jugendämter aus immerhin 14 der
16 Bundesländer waren froh, die besonders schwierigen Jugendlichen
dort auf richterlichen Beschluss hin unterbringen zu können. Und sie
schauten dann offenbar nicht mehr so genau hin. Die Haasenburg
versteht sich als Alternative zum Jugendstrafvollzug und zur
Psychiatrie. Für ein solches Konzept, das denen anderer geschlossener
Einrichtungen ähnelt, gibt es – anders als in der Psychiatrie und im
Strafvollzug – bislang keine rechtliche Regelung. Eine bundesweite
Initiative, wie Brandenburg sie jetzt starten will, ist daher
überfällig. Es muss klare Bedingungen für die Betreuung von Kindern
und Jugendlichen in den freiheitsentziehenden
Jugendhilfeeinrichtungen geben. Sie müssen dann aber auch
kontrolliert werden – von unabhängigen Experten.

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