Die Überraschung ist dem Berliner Finanzsenator
Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) gelungen: Die neue Konzession für
den Berliner Gasvertrieb soll nicht an die Gasag, sondern an das
landeseigene Unternehmen „Berlin Energie“ vergeben werden. Dies
teilte Nußbaum am Dienstag erst dem Koalitionspartner CDU, dann dem
Senat und anschließend der Öffentlichkeit mit. Die Gasag ist seit dem
19. Jahrhundert in Berlin tätig und hat also reichlich Erfahrung beim
Gasvertrieb, „Berlin Energie“ ist bei der Verwaltung von
Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) angesiedelt und hat
bislang keinerlei Erfahrung mit dem Energiegeschäft. Nachvollziehbar,
dass die Gasag-Manager am Dienstag regelrecht schockiert waren. Zumal
die Entscheidung denkbar knapp ausgefallen sein soll: 299 Punkte im
Bewertungsverfahren für die Gasag, 311 Punkte für Berlin Energie.
Bei der Vergabe der Gaskonzession für die nächsten zehn Jahre
handelt es sich um ein sogenanntes diskriminierungsfreies
Wettbewerbsverfahren. Man darf also davon ausgehen, dass objektiv
beide Angebote bewertet wurden. Welche Rolle die Erfahrung spielte,
warum ein landeseigenes Unternehmen, das gute Arbeit oder mehr
Verbraucherfreundlichkeit für die Zukunft verspricht, zum Zuge kommt,
die erfahrene Gasag – im Besitz der privaten Unternehmen Vattenfall,
Gaz de France und Eon – dagegen nicht, das wird Nußbaum der CDU und
im Abgeordnetenhaus erklären müssen. Die Gasag jedenfalls, für die es
um viele Millionen Euro Einnahmen geht, kündigte schon an, gegen die
Entscheidung zu klagen.
Auch wenn sich für den Berliner Verbraucher erst einmal nichts
ändern wird, so ist es doch ein gewagtes Geschäft, dass Nußbaum da
eingeht. Denn „Berlin Energie“ muss das Leitungsnetz samt
Steuerzentrale übernehmen – für rund eine Milliarde Euro. Geld, das
das bisher in der Praxis unerfahrene Landesunternehmen nicht hat und
über Kredite finanzieren müsste – und diese dann aus den Gewinnen
zurückzahlen würde. Ist das wirtschaftlich sinnvoll? Ergibt es
wirklich Sinn, die Gasag zu zerschlagen? Wenn man wie Nußbaum denkt,
der ein Fan der Rekommunalisierung ist und am liebsten alles unter
seine Aufsicht stellen würde – manch einer in Berlin spricht schon
lange vom „VEB Nußbaum“ -, ist es der konsequente Weg. Für den
Berliner Steuerzahler bleibt es ein riskantes Geschäft.
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