BERLINER MORGENPOST: Ein Urteil, dem neuer Lärm folgt – Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Des einen Freud, des anderen Leid. Es allen Recht
zu machen, bleibt ein Unding. Das gilt auch für die Festlegung von
Flugrouten. Zumindest so lange, wie Luftverkehr mit Lärm verbunden
ist. Und das wird bei allem technologischen Fortschritt im Flugzeug-
und Triebwerksbau leider noch sehr lange der Fall sein.

So groß und verständlich die Freude zumindest der Menschen in
Blankenfelde-Mahlow über ihren Teilerfolg vor dem
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist; nicht minder
nachvollziehbar ist die neu entbrannte Angst der Menschen im Süden
und südwestlich Berlins vor neuer Lärmbelästigung.

Die Frage nach einer gerechten und für alle hinnehmbaren
Verteilung der unvermeidbaren Ruhestörung tags wie nachts haben die
Richter auch in diesem Verfahren nicht einvernehmlich klären können
und wollen. Die Entlastung der einen führt zwangsläufig zu mehr
Belastung für die anderen. Wie nicht anders zu erwarten, haben die
Bürger in Lichtenrade und Kleinmachnow bereits neue Protestaktionen
angekündigt. Andere Aktionsbündnisse werden folgen.

Doch Reaktionen nach dem Sankt-Florian-Prinzip, sich selbst zu
schützen und dem Nachbarn alle Unbill zu überlassen, lösen auch das
Problem der Flugrouten am künftigen Großflughafen Schönefeld nicht,
die so oder so festgelegt werden müssen. Auch wenn der neue Flughafen
selbst noch immer ein Torso ist und kein Verantwortlicher wagt, einen
Eröffnungstermin zu nennen, dürfen keine Illusionen geschürt werden.

Wer noch immer das „Aus“ für den stadtnahen Airport Schönefeld und
einen Neustart in Sperenberg fordert, blendet die Realität ebenso aus
wie gestern die Wortführer der Bürgerinitiative Kleinmachnow, die ein
Flugroutensystem nur nach Bedarf eines Regionalflughafens verlangen.
Die Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg braucht für seine weitere
Entwicklung endlich einen Großflughafen. Und der kann angesichts der
Dringlichkeit, der investierten Milliarden und trotz aller baulichen
Peinlichkeiten nur in Schönefeld liegen.

Also ein unauflösbarer Interessenkonflikt zwischen den vom
Fluglärm betroffenen Bürgern? Wenn schon keine einvernehmliche Lösung
möglich ist, muss zumindest ein Kompromiss gesucht werden. Der kann
nur gefunden werden, wenn sich alle Beteiligten im Lichte der
neuesten Gerichtsentscheidungen zusammensetzen -Bürgerinitiativen,
Gemeindevertreter, Flughafengesellschaft, die beiden wichtigsten
deutschen Airlines und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung.
Dabei muss die Sicherheit des Flugverkehrs absolute Priorität haben
vor dem Lärmschutz und erst am Ende steht die Frage der
Wirtschaftlichkeit für die Fluggesellschaften, die möglicherweise
etwas längere Startrouten als gewünscht akzeptieren müssen.

Die Verzögerung der BER-Eröffnung hat also sogar etwas Positives.
Sie liefert unverhoffte Zeit für eine solche Kompromissfindung. Die
bleibt unabdingbar. Selbst die härtesten Anti-Lärm-Aktivisten wollen
ja wohl nicht ganz aufs Fliegen verzichten.

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