Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor dem EU-Gipfel
klargemacht, wo für sie im Kampf gegen die Euro-Krise die rote Linie
verläuft: keine Gemeinschaftsanleihen, keine Hilfen für überschuldete
Staaten ohne harte Sparauflagen und – zumindest in schwerwiegenden
Fällen – eine Beteiligung der privaten Gläubiger an den Kosten der
Rettungsaktionen. Der neue dauerhafte Krisenmechanismus soll nicht
nur die Finanzmärkte beruhigen, sondern auch die zunehmende Skepsis
der hiesigen Bürger gegenüber dem Euro ausräumen. Doch selbst wenn
Merkel diese Haltung in Brüssel durchhält und nicht erneut dem
Drängen etlicher EU-Partner nach weiteren geldwerten Zugeständnissen
nachgibt, ist die Zukunft der Gemeinschaftswährung damit noch lange
nicht gesichert. In den vergangenen Monaten wurden die EU-Beschlüsse
immer wieder von der Realität über den Haufen geworden. Und entgegen
allen Bemühungen ist die Kluft zwischen den taumelnden Pleitestaaten
und den gesunden Kernländern trotz aller Hilfen größer geworden,
nicht kleiner. Die Opposition zieht aus diesen Erfahrungen den
irrwitzigen Schluss, Deutschland sollte, ohne weiter zu zögern, die
Transferunion akzeptieren. Selbstverständlich nehmen SPD und Grüne
diesen Begriff nicht in den Mund, sondern sprechen mit großer
pathetischer Geste von europäischer Solidarität und Harmonisierung
der Steuer- und Sozialpolitik in Euroland. Und die zum Teil
haarsträubende Kritik aus vielen EU-Staaten an Merkels Abwehrhaltung
wird von den Oppositionsspitzen vollkommen kritiklos übernommen. Doch
wenn Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker und andere europäische
Regierungschefs die Kanzlerin ins Visier nehmen, treffen sie nicht
bloß Merkel, sondern auch die Mehrheit der Deutschen, die keineswegs
bereit ist, die Früchte ihrer Arbeit unbegrenzt nach Griechenland,
Irland, Portugal und Spanien zu tragen. Sicher: Merkel hat in den
vergangenen Monaten etliche taktische Fehler gemacht und mitunter
auch wohlwollende Freunde unnötig verprellt und sich zu einseitig an
Frankreich gebunden. Doch in stürmischen Zeiten kann die Frage, ob
Deutschland innerhalb der Europäischen Union an Beliebtheit verliert,
nicht im Mittelpunkt stehen. Es geht darum, zu verhindern, dass der
einst so strahlende Euro in der Hitze des Gefechts verramscht wird.
Denn der Preis, den wir alle in Europa – nicht nur die Deutschen! –
zahlen, wenn Euroland zur Schuldenunion degeneriert, übersteigt die
bislang geleisteten Hilfen um ein Vielfaches. Deshalb lohnt es
allemal, in Europa für eine Stabilitätskultur zu kämpfen. Das ist
unbequem. Denn wirtschaftliche Vernunft wärmt das Herz weniger als
die großen Reden von der europäischen Solidarität. Doch für die EU
gilt das Gleiche, was auch national richtig ist: Politiker müssen
sich ein enges Regelkorsett anlegen, das ihren Drang zum übermäßigen
Geldausgeben mindert. Wer diese stabilitätsorientierte Haltung als
deutschen Egoismus verunglimpft, hat nicht begriffen, dass Wohlstand
dauerhaft nicht auf Pump finanziert werden kann, sondern erarbeitet
werden muss. Angela Merkel stehen harte Verhandlungen bevor. Im
Interesse Deutschlands und Europas ist ihr Glück zu wünschen.
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