BERLINER MORGENPOST: Gegenwind ausÖsterreich – Kommentar von Christian Kerl

Die Karten in Europa werden neu gemischt: Auch der
österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht von Erneuerung
und Umbruch in der Europäischen Union. Aber er meint etwas anderes
als die Regierungen in Paris und Berlin. Er stellt unbequeme Fragen,
er will nicht mehr, sondern weniger Europa. Die EU soll sparsamer
sein, sich um weniger Aufgaben kümmern. Und sie soll auf
verpflichtende Vorgaben zur Verteilung von Flüchtlingen verzichten,
auf die gerade Merkel so vehement besteht.

Während sich in Berlin jetzt die schwarz-roten Sondierer auf neue,
substanzielle Integrationsschritte nicht nur in der Eurozone
verständigen, bremst Kurz und sagt auch zu höheren EU-Beiträgen Nein.
Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr
verleiht die Möglichkeit, die europäische Agenda zu prägen.

Man muss nicht alle seine Forderungen gutheißen, aber: Der Debatte
um die Zukunft Europas können die Wiener Einsprüche durchaus guttun.
Vorausgesetzt, der Koalitionspartner FPÖ zwingt Kurz nicht zu
rechtspopulistischen Abenteuern.

Merkel täte gut daran, den Ball alsbald aufzunehmen und auf den
forschen österreichischen Konservativen offensiv mit eigenen Ideen
und Positionen zur Europapolitik zu antworten. Andernfalls droht ihr
Ungemach im eigenen Haus.

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