Kurzfassung: Der Wähler hat es ja schon lange
geahnt. Aber so drastisch vorgeführt wie in den vergangenen Wochen
bekam er es wohl noch nie. An der Macht bleiben, an die Macht kommen,
Posten sowie Pöstchen vergeben und mit dem politischen Gegner dealen,
ist in der Politik kein besonders appetitliches Geschäft. Aber es ist
notwendig. Wie der Metzger, der die Leberwurst zusammenrührt und dies
aus gutem Grund hinter verschlossenen Türen macht. Alle brauchen was
zu essen, aber wie es genau gemacht wird, will man nicht wirklich
wissen. Interessanterweise hat die Politik ihre Wurstküche derzeit
zum Showroom umgebaut. Und wundert sich, wenn sich etliche Wähler mit
Grausen vom öffentlichen Schlachtprozess abwenden. Das ist gar nicht
gut für die Demokratie und wird durch die nächste Drama-Operation
„Suche nach dem neuen Außenminister“ nicht besser.
Der komplette Leitartikel: Der Wähler hat es ja schon lange
geahnt. Aber so drastisch vorgeführt wie in den vergangenen Wochen
bekam er es wohl noch nie. An der Macht bleiben, an die Macht kommen,
Posten sowie Pöstchen vergeben und mit dem politischen Gegner dealen,
ist in der Politik kein besonders appetitliches Geschäft. Aber es ist
notwendig. Wie der Metzger, der die Leberwurst zusammenrührt und dies
aus gutem Grund hinter verschlossenen Türen macht. Alle brauchen was
zu essen, aber wie es genau gemacht wird, will man nicht wirklich
wissen. Interessanterweise hat die Politik ihre Wurstküche derzeit
zum Showroom umgebaut. Und wundert sich, wenn sich etliche Wähler mit
Grausen vom öffentlichen Schlachtprozess abwenden. Das ist gar nicht
gut für die Demokratie und wird durch die nächste Drama-Operation
„Suche nach dem neuen Außenminister“ nicht besser. Deutschland sicher
durch schwierige Zeiten zu bringen und für eine friedliche,
prosperierende Welt zu sorgen, ist ein überaus wichtiges Amt. Ganz
besonders, wenn Europa tief in der Krise steckt und neue, starke
Populisten das Rad der Geschichte zurückdrehen. Und wenn Leute wie
Wladimir Putin, Donald Trump, Kim Jong-un und Co. den Lauf der Welt
bestimmen wollen. Da braucht es den Besten oder die Beste für das
Auswärtige Amt von Europas wichtigster Industrienation und nur nach
diesen Kriterien müsste – eigentlich – auch intensiv gesucht werden.
Soweit die schöne Theorie. Würde man die derzeitige Suche ehrlich in
einer Stellenanzeige formulieren, müsste das ungefähr so klingen:
„Mann oder Frau mit SPD-Parteibuch für das Amt des
Bundesaußenministers gesucht. Wichtigste Voraussetzung: Kann gut mit
Andrea Nahles und Olaf Scholz. Hat keinen Juso-Chef und/oder
mitgliederstarke SPD-Landesverbände verärgert. Der Gesuchte ist nicht
Martin Schulz oder Sigmar Gabriel oder ein Buddy von einem der
Genannten. Internationale Erfahrung oder Renommee ist wurstegal.
Beliebtheit bei den Deutschen ist keine Voraussetzung. Fremdsprache
Englisch wäre nicht schlecht.“ Wer auf diese Weise und nach diesen
Kriterien sucht, wird am Ende vielleicht den passenden Kandidaten für
seine seltsamen Anforderungen finden. Den Besten für Deutschland und
seine Interessen findet man so aber ganz sicher nicht. Bei aller
berechtigten Kritik an Martin Schulz ist es für den Kurzzeit-SPD-Chef
besonders tragisch, dass ihm ausgerechnet das Amt versagt bleibt, für
das er am meisten Kompetenz mitbrächte. Als Kanzlerkandidat war
Schulz der falsche Mann. Als SPD-Chef war er nicht prinzipienfest
genug. Die dritte Chance auf ein Spitzenamt wollten die enttäuschten
Genossen ihm jetzt nicht geben. Und Sigmar Gabriel? Er hat es nicht
schlecht gemacht. So sehen es jedenfalls die Deutschen und wollen ihn
mit beeindruckender Mehrheit als Außenminister behalten. Aber auch
das spielt keine Rolle mehr. Es geht nicht um die Frage, wen die
Deutschen sich in diesem Amt vorstellen können. Sondern nur, ob die
politischen Nebenbuhler ihn dort haben wollen. „Sigmar Gabriel hat
sich mit seiner Kritik am Parteivorstand endgültig ins Abseits
manövriert“, so diktieren es empört die Berliner Spitzengenossen in
die Reporterblöcke. Mit seinem Namen will aber niemand so zitiert
werden. Wahrscheinlich ist es den meisten doch zu peinlich, einen der
wichtigsten Kabinettsposten vom geschmeidigen Wohlverhalten gegenüber
der Parteiführung abhängig zu machen.
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