BERLINER MORGENPOST: Große Chancen für Berlin/ Ein Leitartikel von Björn Hartmann

Siemens baut um. Mal wieder. Und es sieht ein
bisschen aus, als ginge es drunter und drüber. Die Hörgeräte-Sparte
geht an die Börse, die Gesundheitssparte wird eigenständig und könnte
vielleicht an die Börse gehen. Möglicherweise trennt sich Siemens von
der Beteiligung an Bosch und Siemens Hausgeräte, vielleicht auch
nicht. Gleichzeitig plant der Konzern, den französischen Konkurrenten
Alstom zu übernehmen. Genauer: dessen Energiesparte. Dafür wäre
Siemens bereit, sich vom kompletten Eisenbahngeschäft zu trennen.
Eine schöne Gelegenheit, zumal man dem Konkurrenten General Electric,
der ebenfalls Alstom kaufen will, damit den Einstieg in Europa
gehörig erschwert. Gleichzeitig übernimmt Siemens das
Turbinengeschäft von Rolls-Royce. Da kann der Beobachter schon mal
auf die Idee kommen, die Konzernleitung beschäftige sich vor allem
mit An- und Verkauf von Firmen und weniger mit dem klassischen
Geschäft.

Doch Joe Kaeser hat einen zumindest mittelfristigen Plan. Er will
den Konzern auf das Energiegeschäft mit seinen klassischen
Gasturbinen, Windenergie und Netzen mit allem, was dazugehört,
trimmen, auf Industrie und Prozesssteuerung sowie Mobilität. Und der
Konzern soll schneller handeln können. Dazu macht es Sinn, die auch
intern ungeliebte Zwischenebene der Sektoren zu streichen. Dort
hatten sich in den vergangenen Jahren einige kleine Königreiche
innerhalb des Konzerns gebildet, die Abstimmung war teils
unübersichtlich. Künftig haben die kleineren Divisionen die operative
Kontrolle. Das bedeutet: mehr Eigenständigkeit. Und auch der Schritt,
das für Energie zuständige Vorstandsmitglied in den USA anzusiedeln
und mit einer Amerikanerin zu besetzen, ergibt Sinn angesichts der
dort ausstehenden Investitionen. Kommt Siemens dort besser ins
Geschäft, profitieren auch die deutschen Standorte, unter anderem der
größte Produktionsstandort des Konzerns: Berlin mit seinen Werken für
Großturbinen und Schaltanlagen.

Wichtig ist allerdings, wie Kaeser den jetzt skizzierten Umbau
umsetzt. Er wird – wieder einmal – reichlich Unruhe unter den
Mitarbeitern verursachen. Denn ohne Stellenabbau wird jene Milliarde
Euro, die er mit seinem Programm ab 2016 sparen will, nicht erreicht.
Zumal das Alstom-Geschäft den Konzern zusätzlich kräftig fordern
wird, sollte es überhaupt zustande kommen. Es besteht die Gefahr,
dass der Konzern sich verzettelt. Dann entsteht statt Vision und
Wachstum ein Sanierungsfall.

Der Leitartikel im Internet: www.morgenpost.de/127746256

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