Potsdam – Nach dem Rücktritt von Rainer Speer, ist
es jetzt am ehemaligen Fraktionschef Dietmar Woidke, Matthias
Platzecks Regierungsteam als Innenminister zu stärken. Der 48-Jährige
wird am 6. Oktober in seinem neuen Amt vereidigt. Erst dann will er
auch offizielle Termine wahrnehmen.
Berliner Morgenpost: Herr Woidke, wann haben Sie erfahren, dass
Sie neuer Innenminister werden sollen?
Dietmar Woidke: Am Donnerstag.
BM: Vor oder nach dem Rücktritt Rainer Speers?
Woidke: Das war kurz vorher klar.
BM: Wie hat man sich das vorzustellen. Kommt Matthias Platzeck
dann auf Sie zu und sagt: „Hör– mal, Dietmar, wir haben da jetzt wohl
bald einen Posten frei. Hast du Lust?“
Woidke: Wir kennen uns schon lange, und klar: Wir duzen uns auch.
Aber es geht hier um eine ernste Angelegenheit. Wir haben vormittags
Gespräche geführt, als sich herauskristallisierte, dass sich die
Situation von Rainer Speer im Vergleich zu Dienstag (als Matthias
Platzeck noch deutlich gesagt hatte: „Rainer Speer bleibt
Innenminister“, Anm. d. Red.) geändert hat. Für Speer war der
Rücktritt der einzige Weg, Schaden von Dritten abzuwenden. Der
Ministerpräsident hat mich dann gefragt, ich habe kurz überlegt und
zugesagt. Es war eine Entscheidung, die schnell getroffen werden
musste. Und sie wurde schnell getroffen. Jetzt wird es härter, das
weiß ich, aber ich bin Preuße. Da geht man da hin, wo man
hingeschickt wird.
BM: Sie waren unter Matthias Platzeck bereits Minister, zuständig
für Umwelt und Agrarangelegenheiten. Nach der Landtagswahl 2009 waren
Sie dann plötzlich nicht mehr für einen Regierungsposten vorgesehen.
Fühlen Sie sich jetzt als Lückenbüßer?
Woidke: Nein. Wir sind ein Team, das große Team SPD Brandenburg.
Jeder versucht an der Stelle, an der er gerade steht, das Beste zu
erreichen. Man kann nicht immer der sein, der vorne steht und die
Tore schießt. Einige müssen verteidigen, die Reihen zusammenhalten
und das hat mir als Fraktionschef großen Spaß gemacht. Ich gehe jetzt
selbstbewusst an die neue Aufgabe.
BM: War es Ihrer Ansicht nach notwendig, dass Rainer Speer
zurücktritt?
Woidke: Anders wäre es für ihn nicht möglich gewesen, Schaden von
anderen abzuwenden. Es sind ungeheuerliche Dinge vorgefallen in den
vergangenen Tagen, die wir uns so nicht hätten vorstellen können. Ich
denke zum Beispiel an die Journalisten, die früh morgens bei der Frau
vor der Tür standen und sie im Beisein der Tochter fragten, ob das
die Tochter von Herrn Speer sei. Da ist es nur nachvollziehbar, dass
er diese Entscheidung getroffen hat. Ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt
keinerlei Schuld bei Rainer Speer, was die vermeintlichen Affären um
die Brandenburgische Bodengesellschaft oder das Kasernengelände in
Potsdam-Krampnitz betrifft. Ich kenne ihn lange, und wer Rainer
Speer kennt, der weiß, dass er ein sehr geradliniger Mensch ist.
BM: Wie hat er sich denn der Fraktion gegenüber geäußert?
Woidke: Er hat sich für den Rückhalt der Fraktion bedankt und hat
auch noch mal deutlich gemacht, dass der Schritt nicht als
persönliches Schuldeingeständnis zu werten ist. Was mich persönlich
sehr gefreut hat, war seine Ankündigung, der Fraktion treu zu
bleiben. Wenn man in den vergangenen Tagen die Zeitungen
aufgeschlagen hat, musste man ja denken, er sei gestorben oder
plötzlich auf dem Mond. Das ist nicht so: Rainer Speer wird in der
brandenburgischen Politik weiter eine Rolle spielen.
BM: Rainer Speer hat sich noch nicht dazu geäußert, ob das Kind,
für das er den Vorwürfen nach keinen Unterhalt gezahlt haben soll,
wirklich seine Tochter ist. Stimmt es, dass er auf der
Fraktionssitzung am Freitag den Genossen gesagt hat, dass er einen
Vaterschaftstest machen würde?
Woidke: Dazu kann ich nichts sagen.
BM: Kommen wir zu Ihren Aufgaben. Ein großer Brocken, den Ihnen
Rainer Speer hinterlässt, ist die umstrittene Polizeireform, bei der
bis 2020 unter anderem 1900 Stellen gestrichen und drei Viertel aller
Wachen geschlossen werden sollen. Wollen Sie die Reform in der
Radikalität weiterführen?
Woidke: Wir müssen bis 2020 zwei Milliarden Euro einsparen, das
sind rund 20 Prozent des gesamten Haushalts. Wir müssen in jedem
Bereich der Landesverwaltung effizienter werden. Bei der
Polizeireform ist es gar keine Frage, dass sie fortgesetzt werden
muss. Jeder Euro, den wir in der Verwaltung einsetzen und der nicht
unbedingt nötig ist, wird uns an anderer Stelle bitter fehlen. Ich
denke da an die Kita-Betreuung, an Lehrerstellen, Schüler-Bafög,
alles Dinge, die wir wollen. Die aber auch finanziert werden müssen.
Natürlich erwartet der Bürger, dass die Arbeit der Polizei qualitativ
hochwertig weitergeführt wird. Das wollen und müssen wir
gewährleisten. Aber ich weiß auch, dass diese Reform keine leichte
Aufgabe ist.
BM: Was haben Sie sich denn für Ihre Amtszeit vorgenommen?
Woidke: Es sind große Schuhe, die Rainer Speer da vor der Tür
stehen lässt. Ich hoffe sehr, dass ich den Erwartungen gerecht werden
kann. Aber Rainer Speer ist Rainer Speer und ich bin Dietmar Woidke.
Jeder hat so seine eigene Art.
BM: Speer gilt als offener, provokanter, manchmal ruppiger Typ.
Was ist denn Ihre Art?
Woidke: Ich komme vom ganz flachen Land, aus der Lausitz, da ist
man bodenständig. Mein Sternzeichen ist Waage. So versuche ich immer
möglichst ausgleichend zu wirken. Ich bin ein kompromissbereiter Typ.
Deshalb scheue ich aber noch lange nicht klare Entscheidungen.
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