Chapeau – da ist dem Polit-Methusalem
Hans-Christian Ströbele noch einmal ein Clou gelungen. Unter
weitgehend geheim gebliebenen Umständen – die er ansonsten
anzuprangern pflegt – hat er eine Begegnung mit dem Enthüller Edward
Snowden arrangiert. Ob Ströbeles Moskau-Trip allerdings zur
Aufhellung der weltweiten NSA-Spionage mit einem Schwerpunkt
Deutschland führt, bleibt fraglich. Mit Neuigkeiten zur Sache
jedenfalls ist der Urvater der Grünen mit unvergänglichem
Geltungsdrang nicht zurückgekehrt. Allein einen Brief hat er
mitgebracht, in dem Snowden seine Bereitschaft erklärt, sich an einer
Aufklärung zu beteiligen. Voraussetzung sei allerdings, dass ihm
keine weitere Verfolgung drohe.
Die Bedingungen dafür sind deutscherseits schwerlich zu erfüllen.
Ströbele räumte denn auch ein, Snowden zum erwünschten Reden zu
bringen sei nur mit sehr viel gutem Willen der Regierungen in Berlin
und Washington möglich. Seine Forderung, dem Ex-Mitarbeiter von CIA
und NSA Asyl in Deutschland zu gewähren, um ihn hier aussagen zu
lassen, bleibt so lange illusorisch, wie Amerika ihn wegen
Landesverrats per Haftbefehl sucht und auf dem gemeinsamen
Auslieferungsabkommen besteht. Würde sich Berlin dem verweigern, wäre
das transatlantische Verhältnis endgültig ruiniert. Das darf kein
deutscher Politiker wollen.
Bleibt die realistischere Option: Snowden könnte in Russland von
einem deutschen Richter oder Ermittlungsbeauftragten eines
Untersuchungsausschusses – sollte es einen solchen überhaupt geben –
vernommen werden. Während Ströbele diese Möglichkeit eher als
„problematisch“ einstufte, hält Snowdens russischer Anwalt dies, wenn
denn gewünscht, sehr wohl für machbar. Bundesregierung und
Bundesanwaltschaft sollten diese verbale Offerte schnellstens prüfen
und gegebenenfalls annehmen.
So hat Ströbeles Alleingang immerhin für ein bisschen
hoffnungsvolle Bewegung gesorgt. Doch Snowden scheint vorrangig von
einem anderen Wunsch getrieben. Er sucht, das ist die eigentliche
Quintessenz seines Briefes „An die Zuständigen“, ein neues Asyl, wenn
im Sommer 2014 das in Russland endet. Deutschland darf es ihm nicht
gewähren. Die Lösung des Problems liegt in doppelter Hinsicht allein
in Amerika. Washington muss endlich mit der ganzen NSA-Wahrheit
rausrücken und einen Weg der Nachsicht mit Snowden finden.
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