Kurzform: Die Union sollte Forderungen nicht nachgeben, die ihren
Kern weiter aushöhlen. Sondern schnell ihre Optionen ausloten: Warum keine 
Minderheitsregierung, zumindest übergangsweise? Sollte Bundeskanzlerin Angela 
Merkel nicht mitspielen, dann könnte es bald zu Neuwahlen kommen. Für die Union 
heißt das jetzt: Zumindest hinter den Kulissen nicht nur prüfen, wie man 
möglicherweise mit einem Formelkompromiss die neue SPD-Spitze beruhigen kann. 
Sondern schon mal in den Wahlkampfmodus schalten. Sollte Parteichefin Annegret 
Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin antreten wollen, dann muss sie ihre 
Truppen jetzt sammeln. Abwarten schadet gerade.
Der vollständige Leitartikel: Die SPD hat ihren Vorsitz in einem Mammutverfahren
neu bestimmt. Geworden sind es eine bis dato unbekannte Bundestagsabgeordnete 
und ein ehemaliger NRW-Finanzminister, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. 
So weit, so gut. Dass nur gut die Hälfte der SPD-Mitglieder über die neue Spitze
überhaupt abstimmte, ist traurig und macht möglicherweise den Verdruss der 
eigenen Basis mit dem Prozess deutlich. Aber nun ist eine Doppelspitze gefunden,
nachdem es Partei und Fraktion im Frühsommer gelungen war, Andrea Nahles mit 
Schimpf und Schande vom Hof zu jagen. Und jetzt? CSU-Chef Markus Söder brachte 
es ganz gut auf den Punkt: Nur weil es einen neuen Vorsitzenden gibt, muss man 
den Koalitionsvertrag nicht neu aufsetzen. Die CSU wechselte im Laufe der 
Koalition von Horst Seehofer auf Söder, die CDU von Angela Merkel auf Annegret 
Kramp-Karrenbauer und die SPD führte seit der Unterschrift unter dem 
Koalitionsvertrag am 12. März 2018 zunächst den kommissarischen Vorsitzenden 
Olaf Scholz, dann Nahles, drei kommissarische Vorsitzende und nun das Duo Esken 
und Walter-Borjans vor. Gibt es also einen Grund, den Koalitionsvertrag wieder 
aufzumachen? Auf keinen Fall. Es heißt dort zwar: „Zur Mitte der 
Legislaturperiode wird eine Bestandsaufnahme des Koalitionsvertrages erfolgen, 
inwieweit dessen Bestimmungen umgesetzt wurden oder aufgrund aktueller 
Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen.“ Aber genau das hat man 
etwa mit dem Klimapaket und dem Ausstieg aus der Kohle bereits getan, nämlich 
Politik an aktuelle Entwicklungen angeglichen. Und beim CO2-Preis, den Esken 
höher ansetzen will, wird sich im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und 
Bundesrat ohnehin etwas tun. Bei weitergehenden Forderungen der SPD allerdings, 
etwa nach einer Aufgabe der Schwarzen Null (keine neuen Schulden), höherem 
Mindestlohn oder anderen sozialen Wohltaten, muss es aus der Unionsspitze ein 
klares Nein geben – egal, mit was die neue SPD-Führung droht. Warum die SPD sich
mit dem Koalitionsvertrag so schwer tut, ist nicht nachzuvollziehen. Nicht 
allein, dass vor anderthalb Jahren eine deutliche Mehrheit der Mitglieder (bei 
einer Wahlbeteiligung von 78 Prozent!) für die Vereinbarung gestimmt haben. Die 
SPD setzte vieles durch: Soli-Abbau für die Mitte, aber nicht für die 
Gutverdiener, paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, das Kita-Gesetz
– um nur einige zu nennen. Und auch die Forderung nach Aufgabe der schwarzen 
Null leuchtet nicht ein. Denn Geld ist derzeit genug vorhanden, vielmehr hakt es
bei der konkreten Umsetzung. Investitionen in Schulen und Straßen fordern sich 
leicht; wenn es darum geht, schnell Baufirmen zu finden, wird es schon 
schwieriger. Auch gibt es genügend Projekte, die vereinbart sind und noch der 
Umsetzung harren: der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im 
Grundschulalter etwa. Die Union sollte Forderungen nicht nachgeben, die ihren 
Kern weiter aushöhlen. Sondern schnell ihre Optionen ausloten: Warum keine 
Minderheitsregierung, zumindest übergangsweise? Sollte Bundeskanzlerin Angela 
Merkel nicht mitspielen, dann könnte es bald zu Neuwahlen kommen. Für die Union 
heißt das jetzt: Zumindest hinter den Kulissen nicht nur prüfen, wie man 
möglicherweise mit einem Formelkompromiss die neue SPD-Spitze beruhigen kann. 
Sondern schon mal in den Wahlkampfmodus schalten. Sollte Parteichefin Annegret 
Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin antreten wollen, dann muss sie ihre 
Truppen jetzt sammeln. Abwarten schadet gerade.
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