Alle reden vom Wetter – wir nicht. So hieß es
einmal bei der weiland Deutschen Bundesbahn, und gemeint war der
Vorteil der Bahn gegenüber Straße und Flugzeug bei Frost und Kälte.
Jetzt zeigt sich umgekehrt, dass die modernsten Züge
Außentemperaturen in den oberen Dreißigern manchmal nicht aushalten
und dass das Bahn-Personal, oben wie unten, dem auch nicht gewachsen
ist. Am Wochenende gab es Ausfälle, es gab gefährliche
Schwächeanfälle, und es gab einen Bahn-Apparat, der mitten in den
großen Ferien die Leute sich selbst überließ. Unbegreiflich, dass
niemand die Notbremse zog, stattdessen aber eine Frau die Scheibe
einschlagen wollte, um ihr Kind zu befreien aus der Hitzeglut des
Zuges. Ein Wunder, dass nicht Schlimmeres passiert ist. Zorn und
Enttäuschung sind berechtigt. Wer mit der Deutschen Bahn fährt, ist
selber schuld. So ungefähr muss der Sprecher des Bahn-Vorstands
gedacht haben, als er allen Ernstes meinte, es seien doch nur drei
ICE-Züge in Not geraten und Tausende andere Züge seien mit ihren
Passagieren wohlbehalten am Zielort angekommen. Man stelle sich
ähnliche Kaltschnäuzigkeit bei einem Unternehmen der
Passagierluftfahrt vor – der Aufschrei wäre wahrscheinlich der Anfang
vom Ende der Linie. Öffentlicher Transport ist eben nicht der von
Dingen und Sachen, sondern von Menschen, die man gemeinhin heute
Kunden nennt Unvergessen auch die Lieblosigkeit und auch Dummheit,
mit der Schaffner in Regionalzügen Kinder und Jugendliche vor die
Zugtür setzten, weil diese keine Fahrkarten hatten. Die Bahn ist
unentbehrlich, deshalb wird ihr ein Ende nicht so bald passieren.
Aber die Bahn als Ganzes, der Vorstand und alle Bediensteten (die
meisten von ihnen verantwortungsvoll und serviceorientiert) müssen
lernen, 100 Prozent Leistung zu bringen und weit vorauszudenken. Und
das heißt eben auch, Vorschriften zu überdenken und eigeninitiativ zu
handeln. Die extremen Wetterlagen waren drei bis fünf Tage vorher
angekündigt worden. Wenn dann ein Debakel eintritt wie das auf der
Ost-West-Hauptstrecke zwischen Berlin und Köln/Düsseldorf und auch im
Süden, muss jede nur denkbare Abhilfe geschaffen werden. Wie konnte
es geschehen, dass auf den nächsten Bahnhöfen nicht sofort Hilfe
bereitstand, den Hitzegeschädigten Erleichterung zu schaffen und
Ärzte zu mobilisieren? Wenn es derlei Notfallpläne nicht gibt, dann
müssen sie, ob Urlaubszeit oder Arbeitszeit, ob Tropenhitze oder
Frost, schnellstens geschrieben, umgesetzt und bereitgestellt werden.
Man kann nicht für jeden Fall planen. Aber dass es im Sommer heiß
wird, das Klima sich verändert und das Wetter zu Extremen neigt, muss
in die Sicherheitsvorgaben eingearbeitet werden. Wenn Bahnfahren zum
Würfelspiel wird, dann verliert der Standort Deutschland nicht nur an
Ansehen und Reputation, sondern auch an Vertrauen und Menschlichkeit.
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