BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Obamas angekündigter Energiewende

Mit seiner Fernsehansprache zum Öl-Desaster im
mexikanischen Golf hat Barack Obama nicht nur versucht, aus der
Defensive zu kommen. Der amerikanische Präsident hofft auch, dass die
Umweltkatastrophe zu einer Art zweitem Sputnik-Schock für die USA
werden könnte. Als es den Sowjets 1957 gelungen war, den ersten
Satelliten ins All zu schießen, war das damals ein böses Erwachen für
die Amerikaner, die sich bis dahin als weltweite Speerspitze des
Fortschritts sahen. Daraufhin investierte Amerika nicht nur riesige
Summen in Entwicklung von Spitzentechnologie, sondern auch in Bildung
allgemein. Das schuf die Grundlage für die bis heute gehaltene
Führungsrolle der USA bei vielen Zukunftstechnologien. Und wenn es
nach dem US-Präsidenten geht, soll sein Land nun auch im Bereich der
erneuerbaren Energien führend werden. Obama will weg vom Öl. Und das
nicht allein wegen der Klimafolgen, die die Verbrennung fossiler
Brennstoffe mit sich bringt, sondern auch aus strategischen Gründen.
Schließlich finanziert der Westen mit seinem Energiehunger allerlei
problematische Regime oder auch strategische Konkurrenten auf dem
Globus – von Saudi Arabien, dessen wahabitische Lesart des Islam die
ideologische Grundlage liefert für viele islamische Terroristen, bis
hin zu den Regimes in Venezuela, dem Iran oder auch Russland. Es ist
eine Ironie der Geschichte, dass Obama gerade erst kurz vor der
Ölkrise überraschend seinen Widerstand gegen weitere Bohrungen vor
Amerikas Küste aufgegeben hatte. Dabei war das ja eigentlich als
Package-Deal gedacht, der seine neue Energiepolitik leichter
verdaulich machen sollte: Jene Bürger, die sich vor allem um hohe
Spritpreise Sorgen machen, sollten mit einer Ausweitung der
heimischen Ölförderung zufrieden gestellt werden. Damit wollte Obama
Akzeptanz schaffen für den eigentlichen Kern seiner Energiewende. Die
ist, anders als bei den meisten europäischen Klimaschützern, geprägt
von typisch amerikanischem Pragmatismus. Man setzt auf Anreize zum
Energiesparen, auf Ausbau der Kernenergie und auf technische
Durchbrüche im Bereich der erneuerbaren Energien. Dabei kommt es vor
allem auf die richtige Balance an. Denn gerade in der
Wirtschaftskrise sind Maßnahmen schwer zu vermitteln, die Energie so
stark verteuern, dass sie das Wachstum bremsen. Im Prinzip ist es
aber der richtige Weg, um Amerika unabhängiger von Problemstaaten zu
machen. Zum richtigen Mix wird deshalb auch weiter die Ausbeutung
nationaler Energievorkommen gehören müssen, wenn auch mit erheblich
strengeren Auflagen, um ein erneutes Desaster dieses Ausmaßes zu
verhindern. Aber wenn der Öl-Schock dazu beiträgt, Amerikas
Energiewende zu beschleunigen und den Westen aus einer gefährlichen
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen, dann hätte die
Katastrophe zumindest ein positives Ergebnis gehabt.

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