Dieses Vorhaben ist von historischer Bedeutung.
Indem die Bundesregierung aus Steuergeldern die Aus- und Fortbildung
islamischer Religionslehrer und Imame an deutschen Universitäten
finanzieren will, bekennt sie sich zur Verkündigung des Korans in
diesem Land. Sage niemand mehr, der Islam werde nicht als Teil
unserer Realität akzeptiert. Endlich soll es Imame geben, die nicht
wie bisher vom türkischen Staat oder von arabischen Spendern bezahlt
werden, oft kaum Deutsch sprechen und unserer Land weder kennen noch
schätzen. Damit soll Schluss sein, der Islam soll in Deutschland
selbst wachsen. Die Hand also ist weit ausgestreckt gegenüber den
gläubigen Muslimen. Gut so. Wird es aber zum Handschlag kommen? Das
hängt noch am wenigsten von den Sachproblemen ab, die freilich
kompliziert genug sind. Niemand weiß, ob genügend qualifizierte und
ideologisch geeignete Hochschullehrer gefunden werden und man sich
über die Rolle der Islam-Verbände in den Beiräten der Studienzentren
einigen kann. Unklar ist auch, ob die Absolventen eine
Berufsperspektive haben, also eine bezahlte Arbeit finden. Die
wenigsten Moscheegemeinden haben genug Geld zur Finanzierung einer
Imam-Stelle. Und weil der islamische Religionsunterricht an
staatlichen Schulen über Modellversuche noch nicht hinausgekommen
ist, sind auch da die Job-Aussichten eher schlecht. Wenn sich das
nicht bald ändert, werden es junge Muslime für wenig sinnvoll halten,
hier Theologie zu studieren – und die Studienzentren dürften wieder
verkümmern. Doch noch viel wichtiger als solche konkreten Fragen ist
die grundsätzliche, ob die islamischen Theologen und ihre Studenten
sich auf die Freiheit der Universitäten einlassen. Das wird allgemein
gehofft und ist für die Entstehung eines modernen Islam
unverzichtbar: dass offene Diskussionen über Fakultätsgrenzen hinweg
geführt, dass Widersprüche des Islam thematisiert, die
Überlieferungen des Koran hinterfragt und die Grundsätze unseres
Staates akzeptiert werden. Sind die Muslime hierzu bereit? Wenn
nicht, ließe sich kaum noch der These widersprechen, dass der Islam
ein Problem mit der westlichen Freiheit habe. Doch auch die Deutschen
müssen nun neu denken. Sie haben nämlich zu lernen, dass sich an den
Studienzentren in Tübingen, Münster und Osnabrück noch die
liberalsten Studenten nicht für die Verkündigung des Grundgesetzes
einschreiben werden, sondern für die des Glaubens. Wer Theologie
studiert, ist fromm! Und folgt wie auch jeder christliche
Theologiestudent einem Glauben mit Regeln und festen Grundsätzen.
Daher müssen nicht viel anders als die Kirchen nun auch die
beteiligten Islam-Verbände das Recht haben, Einwände gegen
Bekenntniswidriges zu erheben. Das muss man akzeptieren. Die deutsche
Einwanderungsgesellschaft beginnt mit einem Versuch, der so wichtig
wie schwierig ist.
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