BERLINER MORGENPOST: Kriegen Sie doch selbst raus, wie die Lage ist Torsten Krauel darüber, wie das Auswärtige Amt Ägypten-Touristen wortreich im Stich ließ

Die deutsche Reisebranche ist zweifellos ein
wichtiger Wirtschaftsfaktor – für Deutschland natürlich ohnehin, noch
mehr aber für Ägypten. Der Großteil zahlender Erholungssuchender am
Roten Meer hat einen Bundespass. Über Silvester hatte Außenminister
Guido Westerwelle höchstselbst dort einen Badeort aufgesucht. Es war,
wenn man so möchte, ein Zeichen politischen Vertrauens in die
Stabilität der Regierung Husni Mubaraks. Wenn die Bundesregierung
diesen deutschen Touristenstrom zu begrenzen oder sogar zu stoppen
ankündigt, kommt das für Ägypten praktisch der Ankündigung einer
Wirtschaftsblockade gleich. Das unterscheidet deutsche Reisewarnungen
von österreichischen oder amerikanischen, denn deren Tourismus ins
Land der Pyramiden ist verglichen mit dem deutschen nachrangig. Das
Auswärtige Amt prüft aus solchen Gründen lang und gründlich, ob es
eine offizielle Reisewarnung aussprechen soll. Wenn Berlin vor Flügen
nach Ägypten warnt, dann gehen am Nil alle roten Lichter an. Gerade
deshalb ist die unsouveräne Art und Weise ärgerlich, mit der das
Auswärtige Amt – von Kennern auch gern „AA“ genannt – eine Warnung
vor Reisen nach Ägypten erst hinauszuzögern versuchte, nur um sie
dann am Sonntag zu später Abendstunde um so hektischer zu verkünden.
Was war von einem Warnhinweis zu halten, der Stunde um Stunde
„angepasst“ wurde – mit einer Wortwahl, die so verklausuliert war,
dass nur ausgebildete Diplomaten die Unterschiede verstanden? Am
Sonntagmorgen warnte Guido Westerwelles Ministerium nur vor Reisen in
die westlichen Grenzgebiete Ägyptens. Da brannten in Kairo schon
Einkaufszentren, und Panzer rückten in Tourismusorte ein. Am
Frühnachmittag warnte das „AA“ dann vor Reisen nach Ägypten „mit
Ausnahme der Tourismusgebiete am Roten Meer“. Am späten Abend eine
neue Warnung: Nun riet das „AA“ generell vor „Reisen nach Ägypten
aufgrund der instabilen Lage“ ab, gerade so, als ob die Lage am
Nachmittag noch stabil gewesen wäre. In dieser vorerst letzten
Warnung steht nun der hübsche Satz: Obwohl es am Roten Meer „derzeit
ruhig“ sei, werde jeder Tourist gebeten, „sich vor Reiseantritt
gründlich über die Sicherheitslage am konkreten Zielort der Reise zu
informieren“. Was hat denn das nun zu bedeuten? Wir dachten, das
Auswärtige Amt sei der Experte und werde uns, den Bürgern, sagen
können, ob die Lage gefährlich sei? Deutsche Staatsbürger verfügen
nicht über die Informationsquellen der Diplomaten. Sie rufen in ihrem
gebuchten Hotel an und hören, dort sei alles ruhig. Dann fliegen sie
los, und plötzlich taucht im Hotel eine fanatische Islamistengruppe
auf, die beschlossen hat, jetzt sei der richtige Zeitpunkt, Geiseln
zu nehmen, um Mubarak vor der Welt bloßzustellen. Ist das mit
Sicherheit auszuschließen? Wenn ja, warum hat dann das amerikanische
Außenministerium schon am Sonnabend dringend von Reisen nach Ägypten
abgeraten und bringt jetzt schon fast sein gesamtes
Botschaftspersonal außer Landes? Ist Hillary Clinton nur hasenfüßig?
Es gibt Momente, an denen es besser ist, lieber eine Warnstufe mehr
zu verkünden. Das Auswärtige Amt hat zuallererst eine Fürsorgepflicht
für deutsche Staatsbürger. Zu ihr gehört, Reisende nicht in falscher
Sicherheit zu wiegen, wenn man am Fernsehen sehen kann, dass eher das
Gegenteil zutrifft.

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