Kurzfassung: Die Ankündigungen der Gipfeltreffen
zwischen Nordkorea und Südkorea sowie den USA klingen spektakulär.
Die Gespräche bergen Chancen. Wird jedoch kein Durchbruch erzielt,
ist die Enttäuschung groß. Es käme zu einer Verhärtung, die sehr
wahrscheinlich in eine neue Eskalation münden würde. Das ist das
Risiko an der Sache.
Der komplette Leitartikel: Es ist zunächst einmal eine gute
Nachricht: In den Atom-Konflikt mit Nordkorea kommt Bewegung. Ein
diplomatisches Räderwerk setzt sich in Gang, das durch frische
Energie aus Pjöngjang, Seoul, Peking und Washington angetrieben wird.
Bei seinem überraschenden Besuch in Peking hat Nordkoreas Diktator
Kim Jong-un die Bereitschaft zur Entnuklearisierung seines Landes
unterstrichen, falls die USA und Südkorea „synchrone Schritte“
zeigen. Die neue Gesprächs-Dynamik hat einen einfachen Grund: Alle
maßgeblichen Akteure sind an einer Entschärfung der Lage
interessiert. Nordkorea, steinzeitsozialistisches Überbleibsel und
Paria der internationalen Politik, will raus aus der Isolation. Kim
verfolgt seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2011 zwei strategische
Ziele: Er verlangt eine Überlebensgarantie für sein Regime in
Nordkorea und Verhandlungen mit Amerika auf Augenhöhe. Das Atom- und
Raketenprogramm ist für ihn der Hebel, beides zu erreichen. Die
geplanten Gipfeltreffen mit den Präsidenten Südkoreas und der USA
betrachtet Kim als Belohnung für seine Bemühungen. Zudem hofft er auf
ein Ende der Sanktionen. Auch China spekuliert auf Vorteile durch
Entspannung. Das Riesenreich, der einzige Verbündete von Nordkorea,
sah sich durch Kims Extratouren übergangen. Zum einen missfiel den
Chinesen der nukleare Aufrüstungskurs des kleinen Nachbarn. Zum
anderen waren sie bei Pjöngjangs Charme-Offensiven Richtung Seoul und
Washington nicht eingeweiht. Mit Kims Aufwartung in Peking hat China
auch ganz offiziell wieder seine traditionelle Rolle als Schutzmacht
inne. Mehr Gewicht in der Korea-Krise könnte sich an anderer Stelle
als nützlich erweisen: Peking wird versuchen, den USA Zugeständnisse
im Handels-Clinch abzuringen. US-Präsident Donald Trump wiederum
würde gern als der große Staatsmann in die Geschichte eingehen, dem
es gelungen ist, den Atom-Konflikt mit Nordkorea friedlich zu lösen.
Ein Unterfangen, an dem sich alle Vorgänger Trumps die Zähne
ausgebissen haben. In Washington verbreitet man bereits fleißig die
Botschaft, dass Kim nur infolge des „maximalen Drucks“ der USA die
Samthandschuhe herausgeholt hat. Diese neue geopolitische Entwicklung
ist zweifellos bemerkenswert. Doch der Teufel steckt im Detail.
Zunächst stellt sich die Frage, was Kim mit den „synchronen
Schritten“ meint, die Amerika und Südkorea unternehmen müssten.
Sollte er den Abzug der US-Soldaten aus Südkorea und Japan –
insgesamt knapp 80.000 Kräfte – fordern, dürfte er hier an seine
Grenzen stoßen. An der Truppenpräsenz der Amerikaner im Pazifik wird
Trump kaum rütteln. Die neuen Hardliner in seinem Kabinett –
Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo – werden
alles tun, um ihren Chef einzubremsen. Die zweite harte Nuss: Wäre
Kim wirklich bereit, eine lückenlose internationale Überwachung
seiner Nuklearanlagen zu erlauben, wie die Iraner dies im
Atomabkommen akzeptiert haben? Auf vage Versprechen wird sich Trump
nicht einlassen. Zumal bereits Kims Vater Kim Jong-il Anfang der
2000er-Jahre Zusagen über die Einstellung seines Kernwaffen-Programms
gemacht hatte, heimlich aber seine Nuklear-Pläne weiterbetrieb. Die
Ankündigungen der Gipfeltreffen zwischen Nordkorea und Südkorea sowie
den USA klingen spektakulär. Die Gespräche bergen Chancen. Wird
jedoch kein Durchbruch erzielt, ist die Enttäuschung groß. Es käme zu
einer Verhärtung, die sehr wahrscheinlich in eine neue Eskalation
münden würde. Das ist das Risiko an der Sache.
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