BERLINER MORGENPOST: Nicht bis zu Ende gedacht Leitartikel von Andreas Abelüber die Arbeitszeitkonten für Berlins Lehrer

Mehr als zehn Jahre sind die Berliner Lehrer
gegenüber dem Senat in finanzielle Vorleistung gegangen. 2003 wurden
im Rahmen eines Solidarpakts zwischen Landesregierung und
Beschäftigten ihre Gehälter gekürzt. Anders als bei anderen
öffentlich Bediensteten wurde aber ihre Arbeitszeit nicht mitgekürzt.
Stattdessen wurden für die Pädagogen Arbeitszeitkonten angelegt. Das
war für die Sachwalter des hochverschuldeten Landes Berlin zunächst
eine bequeme Lösung. Ein Teil des Schulunterrichts wurde quasi auf
Pump gegeben, das Konto blieb ein eher abstraktes Konstrukt. An einen
Zahltag dachte offenbar niemand. Nun, da immer mehr Lehrer an der
Schwelle zum Ruhestand stehen, wird der Finanzbedarf offenkundig: 500
Millionen Euro in den kommenden 15 Jahren. Das sind keine Peanuts.

Die Koalition von SPD und CDU wollte die Arbeitszeitkonten
abschaffen, vor einem Jahr verkündeten Bildungssenatorin Sandra
Scheeres (SPD) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD)
eine neue Regelung. Sie sieht vor, dass ältere Lehrer weniger Stunden
unterrichten – sicherlich die bessere Lösung, weil sie mehr
Planungssicherheit in den Schulalltag bringt und einen Sonderweg
beendet, den Berlin als einziges Bundesland beschritten hatte. Die
wirksame Auflösung der finanziellen Altlast blieb indes aus. Zwar
wurden den Lehrern drei Alternativen angeboten, mit ihrer
angesammelten Lebensarbeitszeit umzugehen. Bis heute ist es aber der
von Senator Frank Henkel (CDU) geleiteten Innenverwaltung offenbar
nicht gelungen, dafür eine Verordnung zu erlassen. Doch auch die
Senatoren Scheeres und Nußbaum stehen nicht glänzend da. Denn ihrer
vor einem Jahr präsentierten Reform fehlte ein entscheidender
Baustein. Nämlich die Antwort auf die Frage, aus welchem Etat die 500
Millionen Euro kommen.

Der Beobachter erlebt ein Déjà-vu. Wieder einmal können wir sehen,
dass der Berliner Senat eine Aufgabe bis zur letzten Minute
hinausschiebt, statt vorausschauend politisch zu handeln. Ob es um
den Lehrermangel, das Eingeständnis einer Wohnungsnot oder das
Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung geht: Stets wird
der Handlungsdruck ausgereizt und lange zugewartet. Und auch der
Streit zwischen Senatoren um die Finanzen überzeugt nicht. Die
Berliner erwarten von ihrer Landesregierung Problemlösungen, nicht
die Beschäftigung mit internem Zwist.

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